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Kunst und Kultur
Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte, Volume LIX
Page - 137 -
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Page - 137 - in Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte, Volume LIX

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Schriftquelle, allegorische Lektüre und schloss Pommersfelden 137 Sinn zu reklamieren. Eine solche Sichtweise ent- wertet mit der Erscheinung auch die Verbildli- chung und setzt sie dem Ungenügen aus, bloß Hinweis auf anderes zu sein. Jede Allegorie zei- tigt ein divergentes Verhältnis zwischen dem Be- deuteten und dem Abzubildenden. Die gleiche Divergenz läßt in Pommersfelden Anschauung und Ausdeutung, allegorische Schaustellung und ihre geschichtliche Bedeutungsquelle differieren. Was etwas bedeutet, weicht ab von dem, weshalb es diese Bedeutung hat. Die Situation der Grazi- en ist darum genauso disparat wie die Beziehung des offiziellen Dotationsdekrets zu den offiziösen Abreden, die es deckt. Obwohl sie die Aufgabe hätten, den Tugendlohn der Hesperidenäpfel zu übergeben,43 sind sie ohne Verbindung zum ei- gentlichen Bildgeschehen und getrennt von der allegorischen Inszenierung, worin der „Hercules Imperii“ die „Dotation“ der goldenen Früch- te erhält.44 Indem Concordia die Semantik der Eintracht, wonach die ikonologischen Leitlinien des Schlosses ausgezogen sind, mit den Grazi- en teilt, sie jedoch für sich beansprucht und ins Blickfeld rückt, taucht diese Sinnbildlichkeit zweimal auf und wird daher besonders unterstri- chen, verliert freilich wegen ihrer Wiederholung auch an Wirkung. Da die drei Grazien die drei Hauptbedeutungen jener Allegorik in sich ver- einen, werden sie in den Deckenhimmel erho- ben. Das hat zur Folge, daß im Belohnungsbild Concordia an ihre Stelle tritt und – wiederum abweichend von der herkömmlichen Disposi- tion – den ledigen Platz an der Seite von Her- kules einnimmt. Ihre Haltung und ihr Gebaren verdeutlichen, daß sie erst hinzugekommen ist, schon kniend noch vorwärts drängt und mit aus- ladender Gestik immer noch sich nähert. Ihr au- genfälliger Auftritt ruft zusammen mit der pleo- nastischen Pseudo-Analogie, wie das allegorische Doppelspiel sie betreibt, den Eindruck hervor, als ob die Rolle der Grazien verdrängt und in ihrer nach oben verlagerten Optik der Aufmerk- samkeit entglitten sei – ganz so wie das Dotati- onsdekret scheinbar keine Rolle mehr spielt und gewissermaßen außer acht bleiben kann, sobald der verborgene Sinn seiner „gratia“ aufgedeckt ist. Concordia ersetzt gleichsam die Grazien in Erfüllung der Aufgabe, ihr Verschwinden an die Decke allegorisch zu substituieren; darauf ist die bildnerische Parallelführung angelegt. Die Grazien erfahren eine bisher nie dagewesene Erhöhung und Aufwertung. Aus dem selben Vorgang resultiert im Gegenzug aber auch ihre Dislozierung, wodurch sie ihren ausgewiesenen, thematisch und motivisch schlüssigen Bildort einbüßen. Es gleicht erhabener Ironie, wenn der Aufstieg der Grazien in die höchste Raum- und Bedeutungssphäre ihr Entschwinden nach sich zieht. Daß sie dort oben allein sind und keine weitere Anbindung mehr haben, ist daraus die Konsequenz. Den erhellenden Fingerzeig gibt Byß.45 Ohne ein Wort verlauten zu lassen, über- geht er in seinem Katalog das von ihm selbst ge- malte Grazienfresko, während er den richtigen Titel für die „Belohnung Herculis“ verrät.46 So heißt sinnreich redend der wahre Name dieses Schlüsselbilds. Mit seiner Kenntnis gelingt es, 43 Mertens, Die drei Grazien (zit. Anm. 14), S. 168–170. 44 Hofmann, In campis pomeranicis (zit. Anm. 4), S. 130–132. 45 Unergiebig für das Vestibül und seine Freskierung B. M. Mayer, Johann Rudolf Bys (1662–1738), München 1994, S. 69–72. Abgesehen von den meist unzutreffenden ikonologischen Deutungen, entgeht ihm sowohl die singuläre Darstellung der drei Grazien in ihrem eigenen Deckengemälde als auch die singuläre Gestaltung der Wand- und Deckenbilder, welche die malerischen Fähigkeiten von Byß auf der Höhe einer überraschenden Originalität zeigen. 46 Hofmann, In campis pomeranicis (zit. Anm. 4), S. 131 – 132. Nicht nachzuvollziehen ist die Auffassung von Peter Stephan, der sich „unschwer vorstellen“ kann, wie Herkules „auf den Wolken durch die Deckenöffnung schweben wird, um sich von den Grazien zum Götterhimmel des Treppenhauses geleiten zu lassen.“ Vgl. P. Stephan, „Im Glanz der Majestät des Reiches.“ Tiepolo und die Würzburger Residenz; Die Reichsidee der Schönborn und die po-
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Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte Volume LIX
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte
Volume
LIX
Editor
Bundesdenkmalamt Wien
Institut für Kunstgeschichte der Universität Wien
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2011
Language
German, English
License
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78674-0
Size
19.0 x 26.2 cm
Pages
280
Keywords
research, baroque art, methodology, modern art, medieval art, historiography, Baraock, Methodolgiem, Kunst, Wien
Category
Kunst und Kultur
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