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Kunst und Kultur
Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte, Volume LIX
Page - 154 -
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Kerstin Merkel154 oder modifiziert wurde. Die Wahl eines Motivs ist bei einem Dilettanten, der nichts anderes als abmalen gelernt hat, im übertragenen Sinne iko- nographisch aussagerelevant. Auch für Historiker waren diese Zeichnun- gen uninteressant, scheinen sie doch keinerlei Quellenwert zu besitzen. Doch gerade im Kon- text mit Biographien bzw. konkreten Details aus der Lebensphase, in der die Zeichnungen entstanden, entwickeln sich die Bilder plötzlich zu aussagekräftige Ergänzungen der Viten und Charaktere der Habsburger. Wohlgemerkt: die Zeichnungen sind hier nicht als Illustrationen zu verstehen, sondern als eigenständige, nonverba- le Quellen, die es nur zum Sprechen zu bringen gilt, indem man sie mit historischen Informatio- nen vernetzt. Im Rahmen des vorliegenden Aufsatz wird eine in sich eigene Gruppe vorgestellt: Bilder als Geschenke innerhalb der Familie. Die Zeich- nungen werfen ein bezeichnendes Bild auf das Miteinander in der Kaiserfamilie, die bei aller höfischen Form und Etikette doch einen sehr emotionalen Umgang miteinander pflegte, bei dem bezeichnenderweise auch immer kleine Geschenke, die nicht unbedingt von materiellen Wert sein mußten, eine Rolle spielten. Daß es sich tatsächlich um Geschenke handelt, läßt sich recht einfach an den Datierungen festmachen, die vor allem die Geburtstage und Namenstage treffen – diese Tage waren am kaiserlichen Hof zu Zeiten Maria Theresias mit einer Gala verbun- den, im 19. Jahrhundert im wesentlichen auf das familiäre Umfeld reduziert. Die Datierungen ver- raten auch die Empfänger der Bilder, die nur sel- ten namentlich vermerkt sind. Deutlich im Mit- telpunkt als Empfänger stehen Franz I. und seine zweite Ehefrau Maria Theresa sowie die dritte Ehefrau Ludovika, eine zweite kleinere Gruppe bildet sich um Kaiser Franz Joseph heraus. Kaiser Franz I. ist in diesem Aufsatz mit kei- ner Zeichnung vertreten, weil sich keine über- zeugend als Geschenk identifizieren ließ. Es ist allerdings überliefert, daß er sich 1776 mit ei- nem selbstgemalten Bild bei seiner Tante Marie Christine für ihre Geschenke bedankt habe.4 Es haben sich aber zahlreiche Bilder von ihm er- halten, die sein künstlerisches Verständnis seit den Kindertagen in Florenz illustrieren. Dabei fing es im gemeinsamen Unterricht mit seinem jüngeren Bruder nicht besonders vielverspre- chend an. Der Ajo erwischte die beiden, wie sie Brotkügelchen in die Perücke des gutmütigen Reißemeisters Magni warfen statt zu zeichnen.5 1781 wurden zwei Köpfe, die die beiden Brüder gezeichnet hatten, stolz vom Lehrer Manfredini den Eltern gezeigt und berichtet, daß sie auch im Zimmer „copirten“, sich also außerhalb des Unterrichts mit dem Zeichnen die Zeit vertrie- ben. Seit 1779 besichtigte er mit seinem Ajo die Florentiner Sammlungen, später besuchte er mit seinem Vater Manufakturen wie Buchdrucke- reien, Tuchfabriken, Orgelbauwerkstätten usw. Später als Kaiser entdeckte er sein Interesse an der Wachsbossiererei und ließ sich von Leonhard Posch darin unterrichten.6 Als seine erste Tochter Ludovika starb, ließ er sie in Wachs nachbilden, um sie unter einer Glaskuppel in seinem Zimmer immer vor Augen zu haben. 7 Selbstgemachte Geschenke sind kein Habs- burger Spezifikum, sondern haben eine lange Tradition im Adel. Im 16. Jahrhundert waren es eher (kunst-)handwerkliche Objekte, mit de- nen man die Standesgenossen erfreute. Kunst- volle Näharbeiten, vor allem Weißwäsche und Schnupftücher, Leckereien, Heiltränke und Sal- 4 C. Wolfsgruber, Franz I. Kaiser von Österreich, Wien/Leipzig 1899, Bd. I, S. 59. 5 Wolfsgruber, Franz I. (zit. Anm. 4), S. 164. 6 A. Forschler-Tarrasch, Leonhard Posch. Portraitmedailleur und Bildhauer (1750–1831), Berlin 2002, S. 15. 7 A. Kahr, Faszination oder Abscheu? Studie zum keroplastischen Portrait in Österreich. Materialikonologische As- pekte anhand ausgewählter Beispiele in österreichischen Sammlungen, phil. Dipl. (unpubl.), Wien 2006, S. 164.
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Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte Volume LIX
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte
Volume
LIX
Editor
Bundesdenkmalamt Wien
Institut für Kunstgeschichte der Universität Wien
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2011
Language
German, English
License
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78674-0
Size
19.0 x 26.2 cm
Pages
280
Keywords
research, baroque art, methodology, modern art, medieval art, historiography, Baraock, Methodolgiem, Kunst, Wien
Category
Kunst und Kultur
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