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Von der funktionalen Tanzmusik zur autonomen Komposition
âIch habe letzthin (âŠ) Lanners neueste Composition âDie Abenteurerâ gehört, und wĂ€hrend die eine HĂ€lfte
meiner Seele gewalzt hat, hat die andere HĂ€lfte sinnend und sinnig manchen Tönen gelauscht (âŠ)â.51
Tanzmusik tritt erstmals in ihrer dualen Funktion, sowohl als Tanz- als auch als KonzertstĂŒck gespielt,
hervor.
Am 28. April 1859 erschien in der âNeuen Wiener Musik-Zeitungâ unter der Ăberschrift âJohann und
Josef StrauĂâ ein Artikel ĂŒber die Entwicklung der Tanzmusik, aus dem auszugsweise zitiert wird: âDie
Ausdehnungen und Fortschritte, welche die Tonkunst in den letzten Decennien erhalten, haben die Ge-
brĂŒder StrauĂ auch so weit es möglich ist der Tanzmusik beizufĂŒgen gewuĂt. Heut zu Tage ist der Walzer
nicht mehr das einfache Tongewebe, er verdient ebenso gut die Beachtung des Musikers wie die Sympho-
nie und das Konzert, denn der Walzer hat ebenso jenen reichen, kunstvoll gegliederten Bau erhalten, ist
mit eben jener Sorgfalt und Kraft instrumentirt, wie das bedeutendste orchestrale Werk (âŠ) die BrĂŒder
StrauĂ (âŠ) haben es verstanden das justemillieu zwischen den strengen karthĂ€userischen Formen der
klassischen und den frivolen Tonfiguren der modernen Musik hervorzuheben.â Die Herausforderung, der
sich Johann und Josef Strauss52 zu stellen hatten, bestand demnach darin, den Walzer unter Beibehaltung
des vorgegebenen Formschemas weiterzuentwickeln.
In Monographien wird auf die EinflĂŒsse insbesondere der Musik Wagners auf Josef Strauss verwiesen.
Solche verkĂŒrzten Darstellungen ĂŒbersehen zwei wesentliche Entwicklungen, die bereits eine Generation
zuvor, in der Wiener Klassik, einsetzten: die Integration von Tanzmusik in die Sinfonie (Josef Haydn)
sowie die Innovationen Beethovens in dessen Orchesterwerken.
Die Integration von Tanzmusik in sinfonische Werke
Erste Schritte, genuine Tanzmusik fĂŒr die Sinfonie fruchtbar zu machen, finden wir in der Wiener Klas-
sik. Josef Haydn nahm das Menuett (aus dem sich spÀter durch Beschleunigung das Scherzo entwickelte)
in die Sinfonie auf, mit wechselseitigen Auswirkungen: Das tÀnzerische Element durchdringt die or-
chestrale Struktur, insbesondere in FinalsÀtzen53, das Menuett nimmt dort, wo es als eigenstÀndig in der
Satzfolge bestehen bleibt, sinfonische ZĂŒge an. Die starren achttaktigen Perioden werden aufgebrochen,
VerkĂŒrzungen und VerlĂ€ngerungen, Asymmetrien durch Hemiolenbildung, rhythmische Störungen des
Ablaufs durch synkopierte Betonungen, âfalscheâ InstrumenteneinsĂ€tze sind typische Merkmale der ho-
hen kompositorischen Gestaltungskunst Haydns inklusive einer gehörigen Portion Humors (diese Stilele-
mente ĂŒbernahm spĂ€ter Beethoven).
Beethovens Orchesterwerke und ihr Einfluss auf die
sinfonisch konzipierte Tanzmusik
In der BeschĂ€ftigung mit den Ă€sthetischen Problemen, die Beethoven ab der âEroicaâ zu bewĂ€ltigen suchte,
spielte die Behandlung des Orchesterklangs eine wesentliche Rolle. Beethoven ĂŒbernahm von Haydn die
Standardbesetzung mit doppelten BlÀsern, Pauke und einer mehr oder weniger starken Streichergruppe,
fallweise fĂŒgte er (aber immer nur in einzelnen SĂ€tzen) Instrumente54 hinzu. Interessanterweise haben die
Komponisten bis in die SpĂ€tromantik keine gröĂeren Erweiterungen vorgenommen, die Zusammenset-
51 Bericht ĂŒber ein Konzert Lanners im Gartenlokal âZum guten Hirtenâ, âTheater-Zeitungâ, 23.8.1834.
52 Eduard Strauss hatte zu dieser Entwicklung wenig beizutragen, er trat erst zu einem Zeitpunkt mit eigenen Kompositionen an
die Ăffentlichkeit, als das Reformprojekt seiner BrĂŒder gröĂtenteils abgeschlossen war.
53 Exemplarisch verwiesen sei auf zwei frĂŒhe Haydn-Sinfonien: In Nr. 4 ist der dritte Satz mit âFinale â Tempo di Menuettoâ
ĂŒberschrieben, formal folgt er aber dem Sonatensatzschema, in Nr. 9 ist der dritter Satz (Finale) ein reiner Menuett-Satz (in-
klusive Trio und Menuetto Da Capo).
54 Ab der fĂŒnften Sinfonie werden Nebeninstrumente wie Piccolo, Kontrafagott sowie die bis dahin in Sinfonien nicht verwen-
deten Posaunen eingesetzt, das Schlagwerk wird in der neunten Sinfonie durch die âtĂŒrkische Musikâ vergröĂert.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Josef Strauss
Chronologisch-thematisches Werkverzeichnis
- Title
- Josef Strauss
- Subtitle
- Chronologisch-thematisches Werkverzeichnis
- Author
- Wolfgang Dörner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21404-5
- Size
- 21.4 x 30.0 cm
- Pages
- 496
Table of contents
- Gebrauchsmusik im 19. Jahrhundert 9
- Von der funktionalen Tanzmusik zur autonomen Komposition 17
- Aufbau und Systematik des Werkverzeichnisses 37
- Werkverzeichnis
- I. Gedruckte Werke mit Opuszahl 45
- II. Gedruckte Werke ohne Opuszahl 431
- III. Ungedruckte Werke 445
- IVa. Ungedruckte Werke, in Autographen bzw. Abschriften erhalten 459
- IVb. Ungedruckte Werke, Autographe in Antiquariatskatalogen erwÀhnt 465
- V. Bearbeitungen â AuffĂŒhrungen von Werken anderer Komponisten (Auswahl) 467
- Anhang