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Methodisches 15
zusammen mit Nichtjuden die Gesellschaft“ gestaltete und ihre „kulturelle
Konfiguration“undWerte formte.58RäumewiederSportplatz,dasKaffeehaus,
die Kantine, das Sekretariat des Sportvereins, derArbeitsplatz oder die Sport-
berichterstattungderPressewurdenzuOrtenderperformativenAushandlung
jüdischer Identität. DasKonzept der Performanzbildete für unser Projekt also
einewichtige Ergänzung zu jenemder jüdischenDifferenz, indem zumeinen
jeglicher Essenzialismus in der Konstruktion des „Jüdischen“ verworfen, zum
anderenein interaktivesMomentder Identitätskonstituierungherausgearbeitet
wird: „Jüdischsein“ vor 1938 war weder das Ergebnis einer einseitigen jüdi-
schenBewusstseinsformierungnoch ein simples oktroyiertes Bild einerMehr-
heitsgesellschaft, andas sich Judenund Jüdinnenanpassenmussten.
Methodisches
Einerster Schritt unseresProjektsbetrafdieErstellungeinerDemografie jüdi-
scher Sportfunktionäre und -funktionärinnen für die von uns untersuchten
Sportarten. Die entscheidende Klammer für die Auswahl bildete zum einen
dasKriterium,dasssichdiebetroffenenPersonenindenJahrenzwischen1918
und 1938 auf demTerrain desmodernen Sports inWien, genauer gesagt der
Leitung undOrganisation des Sports, betätigt hatten. Zumanderen, dass sie
„jüdisch“waren.WährendderersteTeil recht einfachabzugrenzen ist, indem
er durch eine Funktion im Vorstand eines Sportvereins oder -verbands defi-
niert ist, birgt die Fragenachdem„Jüdischen“ einige Schwierigkeiten. So er-
weisensichDefinitionendes Jüdischen–zwischenreligiösen,nationalenund
politischen Zugängen, gerade in einer Post-Shoah-Perspektive – bekanntlich
alsmehrschichtig undkomplex. Zudemoffenbaren sich– zumindest inman-
chenFällen–auch indenzeitgenössischenDebattenWidersprüchezwischen
Selbstdefinitionen und Fremdzuschreibungen. Im Sinne der Political Jewish
Studieswar daher „der Fokus verstärkt auf politische und gesellschaftliche
Verhältnisse zu richten, in denen ‚jüdisch‘ als Selbst- oder Fremddefinition
konstituiertwird.“59
Einerseits gibt esdie formalen, religiösenKriterien:Als Juden (bzw. Jüdin-
nen)galten inunseremProjektalle,diesich ineinemreligiösenSinnselbstals
solche bezeichneten, also etwa Mitglieder der Israelitischen Kultusgemeinde
(IKG)waren–unabhängig davon, ob sie im strengenSinnderHalacha Juden
58 Hödl,Wiener Juden, 9.
59 Falter,Stachowitsch,Political JewishStudies, 20.
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Sportfunktionäre und jüdische Differenz
Zwischen Anerkennung und Antisemitismus – Wien 1918 bis 1938
- Title
- Sportfunktionäre und jüdische Differenz
- Subtitle
- Zwischen Anerkennung und Antisemitismus – Wien 1918 bis 1938
- Authors
- Bernhard Hachleitner
- Matthias Marschik
- Georg Spitaler
- Publisher
- De Gruyter Open Ltd
- Location
- Berlin
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-055331-4
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 376
- Categories
- Geschichte Nach 1918