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Bernhard Hachleitner
2 Arierparagrafenundandere
Ausschlussmechanismen
„Im Fußballverband und bei den Vereinen haben die jüdischen Funktionäre
ihre Stellenniedergelegt und sind, ebensowie die anderen jüdischenMitglie-
der,ausgeschieden.VondengrößerenWienerFußballvereinenistnurderWie-
nerSportklubdavonnichtbetroffen,daer seit seinerGründungniemals Juden
als Mitglieder aufgenommen hat“, schrieb die Illustrierte Kronen-Zeitung am
17. März 1938. Auch wenn derartige Meldungen aus der Zeit nach dem „An-
schluss“mit gewisser Skepsis zubehandeln sind–vieleVereine rühmtensich
ihrer Judenfreiheit1 –, zeigen sich zwei wichtige Aspekte: Zum einen gab es
beimWiener Sport-Club tatsächlich keine Judenunter denMitgliedernund er
bildetdamitunterdengroßenWienerFußballvereineneineAusnahme,diebis
indieGegenwartdiskutiertwird.2 ZumanderenwarderWienerFußball inner-
halb des österreichischen Sportbetriebs der Zwischenkriegszeit eine Ausnah-
me, denn in etlichen anderen Sportarten waren explizite oder implizite Aus-
schlussmechanismen für Jüdinnen und Juden weit verbreitet. Bekannt sind
etwa die in der erstenHälfte der 1920er-Jahre eingeführten „Arierparagrafen“
desÖsterreichischenSkiverbandes oder desDeutschenundOesterreichischen
Alpenvereins. In vielen anderen Sportarten gab es zwar keine Exklusion von
Jüdinnenund JudenaufVerbandsebene, siewurdeaber vonprominentenVer-
einen praktiziert, etwa im Schwimmsport, im Rudern oder im Radfahren. In
manchenFällenwaren indenStatuten „Arierparagrafen“ formuliert, in ande-
renFällengeschahderAusschlussmit anderenMitteln, etwadurchBallotage,
indem die Aufnahme neuer Mitglieder nur durch Empfehlung bereits aufge-
nommener erfolgen konnte. DieseMechanismen bildenwesentliche Elemente
bei der Aushandlung der Rahmenbedingungen, unter denen jüdische Sport-
funktionäreund-funktionärinnen tätigwerdenkonnten–oderebennicht.Da-
beidarfallerdingsnichtübersehenwerden,dass jüdischeFunktionärInnenim-
mer auch AkteurInnen bei der Aushandlung dieser Handlungsspielräume
waren,wennauchdieMachtverhältnisseallesandereals symmetrischwaren.3
1 MatthiasMarschik, VomNutzenderUnterhaltung. DerWiener Fußball in derNS-Zeit. Zwi-
schenVereinnahmungundResistenz (Wien 1998) 94.
2 Vgl. Michael Almási-Szabò, Von Dornbach in die ganze Welt. Die Geschichte des Wiener
Sport-Clubs(Wien2010);GeorgSpitaler,WarderWienerSport-Clubantisemitisch?In:balleste-
rer 100 (2015) 26–28.
3 Das wohl bestdokumentierte Beispiel sind die Vorgänge im Deutschen und Oesterreichi-
schen Alpenverein vor der Einführung des Arierpragrafen, vgl. etwa Martin Achrainer, „So,
Open Access. © 2019 Bernhard Hachleitner, publiziert von De Gruyter. Dieses Werk ist
lizenziert unter der Creative Commons Attribution 4.0 International Lizenz (CC BY 4.0).
https://doi.org/10.1515/9783110553314-002
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Sportfunktionäre und jüdische Differenz
Zwischen Anerkennung und Antisemitismus – Wien 1918 bis 1938
- Title
- Sportfunktionäre und jüdische Differenz
- Subtitle
- Zwischen Anerkennung und Antisemitismus – Wien 1918 bis 1938
- Authors
- Bernhard Hachleitner
- Matthias Marschik
- Georg Spitaler
- Publisher
- De Gruyter Open Ltd
- Location
- Berlin
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-055331-4
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 376
- Categories
- Geschichte Nach 1918