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Fußball: Der Wiener Sport-Club als Ausnahme 39
KärnteneineAusnahme.69 IndemsüdlichenBundeslandexistierte ein ganzes
RegisterunterschiedlichscharferAusschlussmechanismen:vonderverweiger-
tenAufnahmevon„Nichtariern“überdieBeschränkungderMitgliedschaftauf
drei „nichtarische“Mitglieder bis hin zur radikalstenMaßnahme, der Verwei-
gerungdesSpielverkehrs.70
ImWiener Fußball der Zwischenkriegszeit dagegen verlief die große Kon-
fliktlinie nicht entlang des Gegensatzes jüdisch vs. nichtjüdisch, sondern ent-
langderFrage„bürgerlicher“Sport inklusiveProfessionalismusvs.sozialdemo-
kratischer Arbeitersport. Eher als Kuriosum abgehandelt wurde der Versuch,
beimWienerAssociation-Football-Club (WAF) einenArierparagrafenzu instal-
lieren.DieWienerMorgenzeitungkommentierte: „DieLeichtathletenunternah-
menwie schonsooft unter derFührungdesgetauften JudenFried einenanti-
semitischen Vorstoß. Herr Fried will anscheinend der einzige Jude bei den
Hütteldorfern sein und so verlangte er die Einführung des Arierparagra-
phen.“71 Edgar Fried, der spätere langjährigeGeneralsekretär desÖsterreichi-
schenOlympischenComités (ÖOC),war 1912 als 18-Jähriger aus der Kultusge-
meinde ausgetreten und zumProtestantismus konvertiert.72 Für Ignaz Körner
warer„derTypusdesverleumderischenundgehässigenTaufjudentums“,über
den erweiter schrieb: „In seinemeigenenVereinewurde seinAntrag auf Ein-
führung des Arierparagraphes [sic] nur durch die Stimmen der arischenMit-
glieder abgelehnt gegenseineundseiner gleichgesinntenTäuflingeundsogar
einiger Nochjuden.“73 Die entscheidende Trennlinie verlief hier anscheinend
zwischendenSportartenLeichtathletikundFußball.
69 DieSatzungsänderunghattedenAustritt von„über 20 jüdische[n]Mitgliedern“ zur Folge,
vgl.Zeloth, VomSchul- zumbürgerlichenBreitensport, 76.
70 Zeloth, VomSchul- zumbürgerlichenBreitensport, 76.
71WienerMorgenzeitung (28. 1. 1923) 13.
72 FriedEdgar, geb 22. 1. 1894, Student,Austritt 1912,WienQ0191, IKG 1912/40,Austritte aus
der IKG 1868–1914, onlineunter https://www.genteam.at.
73 Pierre GildesgameMaccabiMuseum,Maccabi Austria Files, 4-01-50, IgnazHermannKör-
ner,Manuskript füreinLexikon jüdischerSportler,undatiert, 18.DasManuskriptvonKörner–
ineiner redigiertenFormals„Lexikon jüdischerSportler inWien“erschienen– ist eineeinzig-
artigeQuelle, bei der aber nebendendurchdenEntstehungskontext bedingtenBesonderhei-
tenauchberücksichtigtwerdenmuss,dassdefinitionsgemäßnurJudenundJüdinnenvorkom-
men, die Körner im Wesentlichen in Freunde und Feinde des „jüdischen“ (eigentlich
„zionistischen“) Sports teilte.Vgl. IgnazHermannKörner, Lexikon jüdischer Sportler inWien.
1900–1938. Hg. u. ed. vonMarcus G. Patka im Auftrag des JüdischenMuseumsWien (Wien
2008).EinerderPräsidentendesWAFwarübrigensLeoGorlitz,der indenJahren1918/19auch
Herausgeber des Illustrierten Sportblatteswar. Ebenfalls im Vorstand war der spätere ÖFB-
Präsident (undNationalsozialist) Richard Eberstaller. ImAugust 1924 kehrteGorlitz zumVer-
ein,derwirtschaftlicheProblemehatte, zurück.Er standanderSpitze einesKomitees,das für
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Sportfunktionäre und jüdische Differenz
Zwischen Anerkennung und Antisemitismus – Wien 1918 bis 1938
- Title
- Sportfunktionäre und jüdische Differenz
- Subtitle
- Zwischen Anerkennung und Antisemitismus – Wien 1918 bis 1938
- Authors
- Bernhard Hachleitner
- Matthias Marschik
- Georg Spitaler
- Publisher
- De Gruyter Open Ltd
- Location
- Berlin
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-055331-4
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 376
- Categories
- Geschichte Nach 1918