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62 3 Wiener Judentum und Wiener Sport in der Zwischenkriegszeit
reichenKonversionenbzw.Austritte nach 1918diese auf dieGlaubenszugehö-
rigkeit der Großeltern87 abstellende „Schaffung des juristischen Begriffs des
Rassejuden [...] fürdieFeststellungderVolkszugehörigkeitder Juden [als]weit
verlässlicher“88 als die Zuordnung einesMenschennach aktuellemReligions-
bekenntnis.
Demnach galten zu Beginn des NS-Regimes in Österreich etwa
206.000MenschengemäßdenNürnbergerGesetzenals JudenundJüdinnen,89
wenngleich in den ersten beidenAnschlussjahren 1938 und 1939 6.186 Perso-
nenausder IKGaustraten–vermutlich vorrangigEhepartnerInnen, die zuvor
füreineEheschließungzumJudentumkonvertiertwaren.90 1.528Personen tra-
ten im selben Zeitraum in die jüdische Religionsgemeinschaft ein, wohl um
Fürsorgeleistungen oder Hilfe bei der Auswanderung durch die IKG erhalten
zukönnen.91 (Aufgrunddieser Zahlenwirdhäufig voneiner leicht reduzierten
Anzahlvon201.000JudenundJüdinnenimangeschlossenenÖsterreichausge-
gangen; die aus der IKG nach dem „Anschluss“wieder Ausgetretenen galten
nach der nationalsozialistischen Rassedefinition nicht als Juden und Jüdin-
87 Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre, dRGBl I 1935, 1146;
Erste Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 14. November 1935, dRGBl I 1935, 1333, hier
insb. §2Abs2, §5.DieNürnbergerGesetzedefiniertenals JudenundJüdinnenAngehörigeder
jüdischen Religion (Mitglieder der Israelitischen Kultusgemeinden) sowie Personenmit drei
odermehrGroßelternteilen jüdischenGlaubens, selbstwenndiesegetauftoderkonfessionslos
waren;auchPersonenmitzweiGroßelternteilen jüdischenGlaubens,wenndiesebeiGesetzes-
erlass oder danachMitglied der jüdischenReligionsgemeinschaft odermit einem Juden/einer
Jüdin verheiratet waren, galten als jüdisch. Die Bestimmungen wurden in Österreich am
20. Mai 1938 eingeführt. Vgl. dRGBl I 1938, 594f., weiter: JonnyMoser,Die Katastrophe der
Juden inÖsterreich 1938–1945. In:WolfgangPlat (Hg.),Voll Lebenundvoll Tod istdieseErde.
Bilder aus der Geschichte der jüdischen Österreicher (1190–1945) (Wien 1988) 225–260, hier
239; Stuhlpfarrer, Judenfeindschaft, 160; Lichtblau, Integration, 529f.; ausführlicher: Rainer
Faupel,KlausEschen,GesetzlichesUnrecht inderZeitdesNationalsozialismus.Vor60 Jahren.
ErlaßderNürnbergerGesetze (Baden-Baden 1997).
88 NSDAP – Gau Wien – Organisationsamt gemeinsam mit der Gemeindeverwaltung des
ReichsgauesWien, StatistischeAbteilung (Hg.),Wien imGrossdeutschenReich. Eine statisti-
scheUntersuchungüber die LageWiens nachWiedereingliederungderOstmark in dasDeut-
sche Reich (Wien, Februar 1941). Abgedruckt in: Gerhard Botz, Wien vom „Anschluss“ zum
Krieg.NationalsozialistischeMachtübernahmeundpolitisch-sozialeUmgestaltungamBeispiel
der StadtWien 1938/39. Mit einem einleitenden Beitrag von Karl R. Stadler (Wien/München
1978) 589–637, hier 605.
89 Moser, Demographie, 16–20.
90 Lichtblau, Integration, 529;Moser,Demographie, 19, 25f.; vgl. etwaauchGemeindeverwal-
tung, Jahrbuch 1938, 40, 200.
91 Lichtblau, Integration, 529; Moser, Demographie, 25f.; Gemeindeverwaltung, Jahrbuch
1938, 200.
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Sportfunktionäre und jüdische Differenz
Zwischen Anerkennung und Antisemitismus – Wien 1918 bis 1938
- Title
- Sportfunktionäre und jüdische Differenz
- Subtitle
- Zwischen Anerkennung und Antisemitismus – Wien 1918 bis 1938
- Authors
- Bernhard Hachleitner
- Matthias Marschik
- Georg Spitaler
- Publisher
- De Gruyter Open Ltd
- Location
- Berlin
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-055331-4
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 376
- Categories
- Geschichte Nach 1918