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Umalsbodenständig zugelten,warder längerfristigeBetrieb eines Sport-
platzes in einemBezirk eine notwendige, aber nicht unbedingt hinreichende
Begründung. „Die altenCricketerwurden [inderBrigittenau] nie als recht bo-
denständiggesehen, obwohl ihrPlatz im20.Bezirk gelegenwar“, denndieser
„seinerzeit so vornehmeVerein bezog vielmehr seine Spieler aus allen Bezir-
ken“.128Hierpasstedie soziologischeZusammensetzungdesVereinsnichtmit
jener der Umgebung seiner Sportstätte zusammen. Der Klub blieb ein Fremd-
köper.
Auch der Austria (bis 1926 „Amateure“) wurde die Bodenständigkeit wie
erwähnt aberkannt. Schon 1921, als dieAmateure ihreneigenenPlatz inOber-
St. Veit ausbauten,wurdenicht nur beklagt, dass der Klub seine bedeutende-
renSpiele auchweiterhin auf fremdenPlätzen austrug, sonderndass derVer-
ein auch sonst nichts tat, um bodenständig zuwerden. Es sei „bezeichnend,
wie wenig sie in ihrem Bezirke Wurzeln schlagen konnten“. Daher gebe es
auch kaum eigene Nachwuchskräfte bei den Amateuren. „Was ihrer Mann-
schaft neues Leben zuführte, kam von außen. Nichts war bodenständig.“129
DiePolemikgegendiemangelndeBodenständigkeitderAustriawarauchanti-
semitisch konnotiert, wurde der Klub doch als Verein des „assimilierten“ Ju-
dentums vonWien gesehen. Und die Frage jüdischer Differenz spielte in der
VerwendungdesBegriffes „bodenständig“ daher immerwieder eine entschei-
dendeRolle.
EswarenspezielldiedeutschnationalenVereinederTurn-wiederSportbe-
wegung, die sich gern als bodenständig und daher antijüdisch präsentierten,
allenvorandiedeutschnationalenTurnvereineoderauchderdenNationalsozi-
alisten nahestehende Schwimmverein EWASC: „Die Nachkriegszeit brachte es
mitsich,daßsichimSchwimmsportWienszweiHauptrichtungenentwickelten.
Einerseits der EWASC, in dessen Lager sich die bodenständigenElemente fan-
den, andererseits die aufstrebende jüdischnationaleHakoah, andie sich aber
auch jeneVereineanschlossen,dienach ihrerZusammensetzungmehrmitdie-
semVereinübereinstimmten.“130Zumindest indiesemKontext istdieantisemi-
tische Aufladung evident: Den Juden und Jüdinnen sollte signalisiert werden,
sie seien inWien (und inÖsterreich) fremdundnicht bodenständig.
Diese Botschaft blieb allerdings nicht unwidersprochen. Als der EWASC-
PräsidentAlexanderKubaibeieinem„Amerikaner-Meeting“desVereins imDia-
128 Sport-Tagblatt (27.8. 1921) 4.
129 Sport-Tagblatt (21. 5. 1921) 9.
130 EWASC,50JahreErsterWienerAmateur-Schwimm-Club1887–1937.Festschriftzum50jäh-
rigenBestanddesEWASC.Gründungstag: 30.Dezember 1887 (Wien 1937) 9, 14.
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Sportfunktionäre und jüdische Differenz
Zwischen Anerkennung und Antisemitismus – Wien 1918 bis 1938
- Title
- Sportfunktionäre und jüdische Differenz
- Subtitle
- Zwischen Anerkennung und Antisemitismus – Wien 1918 bis 1938
- Authors
- Bernhard Hachleitner
- Matthias Marschik
- Georg Spitaler
- Publisher
- De Gruyter Open Ltd
- Location
- Berlin
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-055331-4
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 376
- Categories
- Geschichte Nach 1918