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78 | Theoretische Voraussetzungen
abzugrenzen sind Merkmale eines überregional geltenden standardnahen, in
öffentlichen oder halböffentlichen Situationen verwendeten mündlichen
Sprachgebrauchs, der mit Glauninger (2009) unter der Bezeichnung „intendier-
ter Standard“107 (Glauninger 2009: 95) gefasst werden kann.
Die jugendlichen Proband/-innen aus Osttirol sind insofern als Dialektspre-
cher/-innen108 einzustufen, als sie in einem ruralen Bezirk des Bundeslands
Tirol leben, für das, wie weiter oben bereits ausgeführt wurde, eine sehr hohe
Dialektkompetenz und eine Bevorzugung des Dialekts – v.a. in informellen
Gesprächssituationen des intimen Registers – festgestellt wurde. Die erhobenen
Sozialdaten (vgl. Kapitel 2.2.) der Proband/-innen zeigen, dass die Teilnehmer/-
innen in Osttirol geboren sind und Zeit ihres Lebens ihren Wohnort beibehalten
haben und keinen Migrationshintergrund aufweisen. In Bezug auf die Osttiroler
Proband/-innen kann also von einer Dominanz dialektalen Sprachgebrauchs im
Alltag sowohl der jungen als auch der älteren Teilnehmergruppe ausgegangen
werden.
Abschließend soll nun in groben Zügen und stark vereinfacht das Variati-
onsspektrum der jugendlichen Sprecher/-innen aus Osttirol zusammengefasst
werden (vgl. Tabelle 6). In der öffentlich-institutionellen Kommunikation, in der
der Sprachgebrauch eher aufgaben- und leistungsorientiert ist, ist der Sprach-
gebrauch der Jugendlichen (und auch der Erwachsenen) je nach Anforderungen
tendenziell standardnah oder zumindest umgangssprachlich, die kommunika-
tiven Hauptfunktionen liegen in der Argumentation von Behauptungen und der
Verhandlung von Informationen/Sachverhalten109. Die Kommunikation mit
||
107 Als „intendiert“ wird der Gebrauch der Standardsprache deshalb angesehen, da die Stan-
dardvarietät „zwar ‚anvisiert‘, jedoch in der jeweils konkreten Realisierung nicht einwand-
bzw. ‚fehlerfrei‘ […] ‚erreicht‘ werden [kann] und deshalb als ‚intendiert‘ zu qualifizieren [ist].“
(Glauninger 2009: 95). Dies ist auch insofern relevant, als sich die Definition dessen, was ge-
sprochene Standardsprache sei, nicht nur in Bezug auf Österreich, sondern für das Deutsche
generell äußerst schwierig gestaltet, weshalb in einigen Grammatiken der Gegenwartssprache
(z.B. Zifonun et al. 1997) von einem „Konstrukt der Standardsprache in ihrer schriftlichen und
mündlichen Ausprägung“ (Zifonun et al. 1997: 2) ausgegangen wird, also von Standardsprache
als einem von Sprachwissenschaftler/-innen für linguistische Zwecke geschaffenem methodi-
schen Instrument, nicht als Entität der Sprachrealität.
108 Als Dialektsprecher/-innen werden hier nach Mattheier (1993: 61) Personen mit Deutsch
als Erstsprache bezeichnet, die über eine aktive und passive Kompetenz im regional vorherr-
schenden Dialekt – hier: dem Südbairischen – verfügen. Inwiefern die Proband/-innen auch in
der Standardvarietät als aktiv und passiv kompetent gelten können, müsste anhand zusätzli-
cher sprachwissenschaftlicher Interviews erhoben werden.
109 Diese Einschätzung bezieht sich auf die so genannte „Hauptkommunikation“ in Schule
und berufsbezogenen Ausbildungsinstitutionen. Die Nebenkommunikation in Form von schü-
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Jugendkommunikation und Dialekt
Syntax gesprochener Sprache bei Jugendlichen in Osttirol
- Title
- Jugendkommunikation und Dialekt
- Subtitle
- Syntax gesprochener Sprache bei Jugendlichen in Osttirol
- Author
- Melanie Lenzhofer
- Publisher
- De Gruyter Open Ltd
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-050330-2
- Size
- 14.8 x 22.0 cm
- Pages
- 502
- Category
- Geographie, Land und Leute