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'Ale: Ich muss jetzt einmal echt einmal – ich laufe jetzt nur noch so [herum]. Musst heutzutage
cooler sein. – Dom: Schämt nichts [in etwa: Kein Grund sich zu schämen, Anm. ML].'
Auch wenn die Belege mit Pronomen-Wegfall im Mittelfeld gegenüber jenen im
Vorfeld die überwiegende Mehrheit stellen (nur rund 7 Prozent der Pro-Drop-
Belege in Teilkorpus JD stehen im Vorfeld), so muss letztere topologische Reali-
sierung dennoch als mögliche Variante des Pronomen-Wegfalls festgehalten
werden. Über mögliche Erklärungsmuster für das Vorkommen der ohne Perso-
nalpronomen realisierten Belege in Konstruktionen der 2.Pers.Sg. in den Teil-
korpora JD und ED ist damit noch nichts ausgesagt – dies soll Teil der Ausfüh-
rungen im folgenden Kapitel sein.
4.4.2.3 Funktionale Zusammenhänge
Um mögliche semanto-pragmatische, prosodische oder informationsstrukturel-
le Faktoren für den in Kapitel 4.4.2.2. belegten Pro-drop in den Gesprächen der
jugendlichen und erwachsenen Südbairisch-Sprecher/-innen beleuchten zu
können, sollen zunächst die sprachhistorischen Zusammenhänge in aller Kürze
dargelegt werden.468
Das Nicht-Realisieren referentieller Personalpronomen ist bereits im frühen
Althochdeutschen belegt (vgl. Axel/Weiß 2011: 21). Axel/Weiß sehen dies im
Einfluss des Lateinischen auf die überlieferten Nicht-Prosa-Texte begründet:
Latein als Pro-Drop-Sprache habe demnach das Nicht-Realisieren des Prono-
mens in Übersetzungen lateinischer Quellen in das Althochdeutsche wie z.B. im
Tatian oder der Isidor-Übersetzung begünstigt. Axel/Weiß weisen aber darauf
hin, dass die Nullrealisierung nicht ausschließlich als syntak-tische Entlehnung
eingestuft werden dürfe, denn „the fact that null subjects have a special syntac-
tic distribution shows that they are not merely a syntactic loan“ (Axel/Weiß
2011: 22). In seiner Studie zur Komplementiererflexion in den bairischen Dialek-
ten beleuchtet auch Fuß (2004) die sprachhistorische Entwicklung des Prono-
men-Wegfalls. Er geht ebenso davon aus, dass das Phänomen des Pronomen-
Wegfalls nicht nur auf den lateinischen Einfluss zurückzuführen ist. Laut Fuß
ist der Pro-Drop zunächst in syntaktischen Kontexten der Inversion aufgetreten
und hat sich dann auf Konstruktionen mit anderer Verbstellung ausgebreitet
(vgl. Fuß 2004: 66). Dass der Wegfall des Pronomens dabei auf Konstruktionen
||
468 Für weiterführende Informationen zur diachronen Entwicklung des Pronomen-Wegfalls in
Konstruktionen der 2. Person vgl. u.a. Fuß (2004), Axel/Weiß (2010; 2011), Volodina (2011) oder
Volodina/Weiß (i. Dr.).
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Jugendkommunikation und Dialekt
Syntax gesprochener Sprache bei Jugendlichen in Osttirol
- Title
- Jugendkommunikation und Dialekt
- Subtitle
- Syntax gesprochener Sprache bei Jugendlichen in Osttirol
- Author
- Melanie Lenzhofer
- Publisher
- De Gruyter Open Ltd
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-050330-2
- Size
- 14.8 x 22.0 cm
- Pages
- 502
- Category
- Geographie, Land und Leute