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zukehren. Selbst das Versprechen einer großen Summe Geldes von Seiten
des Fürsten, der den Mann in die Höhle geschickt hatte, weil ihn der Wis-
sensdurst nach deren Beschaffenheit plagte, konnte den Mann nicht bewe-
gen, zu erzählen, was ihm im düsteren Schlund zu Augen gekommen war.
Das erstaunte Valvasor, denn: „Geld pflegt sonst bey vielen Hohen und
Nidrigen, sonderlich aber bey solchen geringen Leutlein der glückseligste
Redner zu seyn, und ihren ehrenen Nacken bald zu beugen; aber hie wollte
es bey diesem Kerl keine Wirckungen thun; er war gar nicht dazu zu überre-
den, sondern sagte, man sollte ihn nur in Ruhe lassen, er ginge doch ein Mal
nicht, ja alle seine Lebetage nicht mehr hinunter, wenn man ihm gleich die
Herrschafft Adelsperg schencken würde.“127 Valvasor wusste, was solch
merkwürdiges Verhalten bedeuten musste: „Ist demnach leicht daraus zu
schliessen, es müsse eyn Gespenst zu ihm gekommen seyn.“ Damit war klar,
dass die schlangen- und teufelsgesichtigen Tropfsteingebilde nur das mate-
rielle Abbild von in tieferen Schlünden hausenden geistigen Wesen sein
konnten, dass es sich bei den fratzenhaften Sinterdämonen nicht bloß um
Projektionen der menschlichen Phantasie handeln konnte, wie dies Johann
Gottfried Sommer über 100 Jahre nach Valvasor rationalisierend vermuten
sollte. Freilich sei die Vorsicht jenes Mannes, der das Gespenst gesehen und
sich hernach geweigert hatte, davon zu sprechen, unnötig gewesen, denn
keine böse Macht könne einem Menschen Böses anhaben, es sei denn, er
habe die Erlaubnis Gottes dazu; und wenn diejenigen, die ein Gespenst ge-
sehen haben, hernach sterben sollten, so stürben sie als Folge ihres Erschre-
ckens, und nicht aufgrund der nachtragenden Macht der Gespenster: „Der
Teufel hat über deß Menschen Leben keine Gewalt ohne Zulassung Gottes,
steht also nicht in deß bösen Geistes Macht, den jenigen, der solches offen-
bahret, allemal zu tödten oder aufs Siech-Bette zu werffen; hingegen einen
Andren, der es eine Zeitlang verschweigt, lebendig und gesund zu lassen;
sondern, wann er von oben das Verhengniß erreicht, so schlägt er alsdann
solche erschreckte Leute mit tödtlicher Kranckheit, sie mögen gleich seine
Erscheinung alsofort entdecken oder nicht; oder erschreckt vielmehr selbige
Personen so hart, daß sie darüber Bett- und wol gar Grab-lägerig werden.“128
Wenn also Gott will, so stirbt der Gespensterseher, und wenn nicht, dann
bleibt er am Leben, einerlei, ob er von seinem Erlebnis Bericht erstattet oder
nicht. Der in die Höhle hinab gelassene Mann beharrte dennoch sicherheits-
127 Valvasor, Die Ehre dess Hertzogthums Crain, Bd. 1, S. 532.
128 Valvasor, Die Ehre dess Hertzogthums Crain, Bd. 1, S. 533.
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Des Kaisers Leibarzt auf Reisen
Johann Nepomuk Raimanns Reise mit Kaiser Franz I. im Jahre 1832