Page - 132 - in Des Kaisers Leibarzt auf Reisen - Johann Nepomuk Raimanns Reise mit Kaiser Franz I. im Jahre 1832
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gar nicht lobenswert. Gassen so eng, dass WĂ€gen nicht durchkommen, fins-
ter und schmutzig, halbverfallene HÀuser, und dazu noch unertrÀgliche hy-
gienische ZustĂ€nde. Buje war âin einem Grade unreinlich, wie ich nur Juden-
Dörfer in Ost-Galizien gefunden zu haben mich erinnere.â Heute wĂŒrde man
angesichts der ZustĂ€nde, die Raimann schildert, anstelle der galizischen âJu-
den-Dörferâ145 wohl das finstere Mittelalter als Vergleich bemĂŒhen, oder
aber anstatt der zeitlichen die rÀumliche Entfernung strapazieren und auf
Slums in sogenannten EntwicklungslÀndern der Dritten Welt verweisen. Die
Kammer, in der Raimanns Diener untergebracht war, war licht- und luftbe-
dĂŒrftig, und Raimanns Zimmer âbeschenkte mich mit braunem sowohl
springenden als auch beiĂenden Ungeziefer, und wĂ€hrend der Nacht nagten
Ratzen oder doch gröĂere MĂ€use an den Dielen, so daĂ ich es nöthlich fand
aufzustehen, und meine Pantoffeln, etc. auf den Tisch u auf Sessel in Sicher-
heit zu bringen.â Immerhin, die Hausfrau, eine âBeamtensgattinâ, war höf-
lich und mit einer venezianischen Halskette geschmĂŒckt, und ihre kleine
Tochter plauderte mit dem Arzt auf Italienisch. Aber das konnte die zwar an
Einfachheit, aber nicht an Schmutz und Ungeziefer gewohnten AnsprĂŒche
eines Biedermeier-Menschen, der die Heimeligkeit, aber nicht die Verwahr-
losung schĂ€tzte, nicht genĂŒgen.146 Auch auĂerhalb des Hauses fand sich die-
selbe Unreinlichkeit: âEin abscheulicher Koth, welcher mir es fast unmög-
lich machte ĂŒber die FahrstraĂe in die ziemlich gut gebaute Residenz Se.
Maj. zu kommen setzte der Schilderung des theils traurigen theils eckelhaf-
ten Ortes die Krone auf.â Gottlob logierte wenigstens Seine MajestĂ€t der
Kaiser in einer âziemlich gut gebauten Residenzâ! Jedoch, selbst die Esssit-
ten der Bewohner Bujes erregten Raimanns Widerwillen, musste er doch
mitansehen, âwie Soldaten und andere Menschen Seespinnen u Meerkrebse,
die man auf der Gasse gesotten feil both, ganz kurz mit den HĂ€nden zerriĂen
und verzehrten.â Raimann muss froh gewesen sein, als er am nĂ€chsten Tag
Buje verlassen konnte.
145 Zu den VerhÀltnissen in Galizien vgl. Christoph Augustynowicz, Andreas Kappeler
(Hrsg.), Die galizische Grenze 1772-1867: Kommunikation oder Isolation (Wien, Berlin
2007).
146 Zu Lebens- und auch WohngefĂŒhl der Menschen zur Biedermeierzeit vgl. Hans Otto-
meyer, Klaus Albrecht Schröder, Laurie Winters (Hrsg.), Biedermeier. Die Erfindung der
Einfachheit. Ausstellungskatalog (Ostfildern 2006); Hedwig Zdradil, Biedermeier rund
um Wien (Wien, MĂŒnchen 1986). Zur Geschichte des Wohnens im allgemeinen vgl.
Bernd Fuhrmann u.a., Geschichte des Wohnens. Vom Mittelalter bis heute (Darmstadt
2008).
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Des Kaisers Leibarzt auf Reisen
Johann Nepomuk Raimanns Reise mit Kaiser Franz I. im Jahre 1832