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75 Fischer
Kunst nach Ordnung, Auswahl und System
Auf dieses Bild bezog sich Lanzi in La Real Galleria 1782 mit einer ausführlichen Würdigung
Fra Bartolomeos als eines der bedeutendsten Meister der Florentiner Schule, der unter an-
deren von Vasari, Mengs und Algarotti gerühmt wurde.256 Von Lanzis Formulierungen in-
spiriert, beschrieb Rosa das Gemälde im Katalog als „Hauptgemälde dieses Künstlers, um
so schätzbarer je seltener Bartholomeo’s Werke in Deutschland sind. […] Daher es Vasari,
Baldinucci, Peter von Kortona, Algarotti, Mariette und Mengs in ihren Kunstschriften hoch
angerühmt haben.“257
Die Wandabwicklung Rosas folgte einem Muster, das auch Lanzi entwickelt hat: Als An-
gelpunkt fungiert eine Künstlerpersönlichkeit, deren Werke auf der Wand dominieren. Da-
von ausgehend wurden Lehrer- und Schülerverhältnisse thematisiert. So bildete die Grab-
legung, die Rosa Verrocchio zuschreibt, mit den Gemälden von Leonardo eine Gruppe. Im
Katalog kann man die Funktion Verrocchios als Lehrmeister von Leonardo nachlesen, nicht
ohne den Hinweis, dass auch Luigi Lanzi Verrocchio hoch geschätzt habe.258 Auch die
kleinfigurige Auferstehung Christi von Salviati aus dem Bildertausch, dessen „Zeichnung,
ganz im Stile seines großen Meisters“259 Michelangelo er im Katalog besonders her-
vorhebt, ordnete Rosa an der ersten Wand des Florentiner Zimmers an. Die Einfügung der
Beweinung Christi von Cigoli erfolgte aufgrund ihrer außergewöhnlichen Qualität, die Rosa
in seinem Katalog, unter Berufung auf das Urteil von Andrea Sacchi, mit dessen in Rom ge-
schulter Malereiauffassung unterstreicht.260 Dagegen scheint der wenig repräsentative
Christus von Dolci eher eine Lücke gefüllt zu haben. Die Madonna mit Kind und Johannes-
knaben von Francesco Vanni, dem Hauptmeister der Sieneser Schule, wurde mit dem
Verweis versehen, dass Vanni sich zwar nach Barocci gebildet hätte, hier aber Sarto nach-
geahmt habe.261
Die auffällige Fülle an Sarto-Bildern an der Mittelwand des vierten Zimmers resultierte
aus dem Zugang von allein drei Werken durch den Bildertausch, die Joseph Rosa allesamt
als „Hauptgemälde“ klassifizierte. Rosa schätzte die Werke von Sarto wegen des „vortrefli-
chen Kolorits“ besonders hoch ein.262 Sartos Erzengel Raphael mit Tobias hatte Rosa 1794
im Zuge des Bildertauschs zwar noch als „dort und da übermald“ kommentiert, auch hät-
ten die Bestände in Florenz eine bessere Auswahl zugelassen, in seinem Katalog rechnet er Abb. 50
„Erste Wand“ im vierten Zimmer („Florentini-
sche Schule“) der italienischen Schulen im
ersten Stock des Oberen Belvedere. Digitale
Rekonstruktion nach Rosa 1796
(Rekonstruktion: Autorin)
Abb. 51
„Vierte Wand“ im vierten Zimmer („Florenti-
nische Schule“) der italienischen Schulen im
ersten Stock des Oberen Belvedere. Digitale
Rekonstruktion nach Rosa 1796
(Rekonstruktion: Autorin)
Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums
Die Kaiserliche Galerie im Wiener Belvedere (1776–1837), Volume 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums
- Subtitle
- Die Kaiserliche Galerie im Wiener Belvedere (1776–1837)
- Volume
- 1
- Author
- Gudrun Swoboda
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2013
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79534-6
- Size
- 24.0 x 28.0 cm
- Pages
- 312
- Category
- Kunst und Kultur