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Sabine Grabner Vom „malenden“ zum
„wissenschaftlichen“
Galeriedirektor
DIE LEITUNG DER KAISERLICHEN GEMÄLDEGALERIE UND
DIE INSTALLATION DER „MODERNEN SCHULE“ DURCH DIE
DIREKTOREN FRIEDRICH HEINRICH FÜGER, JOSEF REBELL
UND JOHANN PETER KRAFFT
Mit der Pensionierung des ersten Galeriedirektors im Oberen Belvedere, Josef Rosa d.Ä.
(1726–1805), am 1. März 1805 beginnt für die kaiserliche Gemäldegalerie eine neue Ära.
Die allgemeine Öffnung der Galerie für ein internationales Publikum und das Wissen um
Bedeutung und Vortrefflichkeit der Sammlung veranlassten zu einer Neubewertung dieses
Postens. Vom folgenden Leiter des Museums erwartete man nun ein umfassendes Wissen
und damit Fähigkeiten, die weit über die bis dahin gültigen Anforderungen für den Inha-
ber einer solchen Position hinaus gehen. Interessant für unsere Betrachtung ist, dass es
nun erstmals eine ausformulierte Beschreibung für den Direktorsposten der kaiserlichen
Gemäldegalerie gibt. So verlangte man von diesem:
„Eine sehr verbreitete Kenntnis der Malereyen nach ihren Schulen, die in jeder
Schule merkwürdigen klassischen Meister nach ihren Manieren, nach dem Stu-
fengange ihrer Vorzüge und mit Bestimmung, worin diese Vorzüge bei jedem
insbesondere bestehen: Er muß also von diesen Kenntnissen geleitet an Gemäl-
den nicht allein die Schule und den Meister und den Kunstwert unter den Wer-
ken jedes Meister zu bestimmen, sondern auch die Originalwerke von Kopien
mit Zuverlässigkeit zu unterscheiden wissen.
Dieser Teil der erforderlichen Kenntnisse setzet eine umfassende Kunst-, Litera-
tur-, Altertumskunde, sofern sie zu den Künsten mit beiträgt, Verbindung der
Theorie mit praktischer Fertigkeit, ein geübtes Auge und Sicherheit des Ge-
schmackes voraus, welche letzteren Eigenschaften, ohne das Vaterland der
Künste, ohne die berühmten Galerien gesehen zu haben, kaum erworben wer-
den können.
Ohne Zweifel ist das Angeführte die hauptsächlichste Forderung an einen Gale-
riedirektor, aber beinahe ebenso unentbehrlich kann die Fertigkeit betrachtet
werden, ein Gemälde kunstmäßig zu beschreiben und einen räsonierten Kata-
log zu verfassen oder doch fortzusetzen.
Nebstbei ist der Besitz von der französischen und englischen Sprache, wenig-
stens einer der beiden, nebst der Muttersprache bei einem Amte nicht zu ver-
missen, daß so viel mit Fremden zu schaffen hat, die, wenn sie die Galerie be-
sichtigen, Anweisungen und Erklärungen von dem Direktor wünschen und zu
erwerben berechtigt sind.
In der Eigenschaft von Beamten der Akademie, deren Schüler nach der Verfas-
sung die Freiheit haben, daselbst nach den großen Meistern zu studieren und
sich durch Kopieren derselben zu üben und zu vervollkommnen, in dieser Eigen-
schaft dürften wir nicht übersehen, daß der Direktor der Galerie ein wirklich aus-
Abb. 1
Friedrich Heinrich Füger,
Selbstporträt, 1807, Öl auf
Leinwand, 112,5 x 88,5 cm.
Wien, Akademie der bildenden
Künste, Gemälde
galerie, Inv.-Nr.
1020
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Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums
Europäische Museumskultur um 1800, Volume 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums
- Subtitle
- Europäische Museumskultur um 1800
- Volume
- 2
- Author
- Gudrun Swoboda
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2013
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79534-6
- Size
- 24.0 x 28.0 cm
- Pages
- 264
- Category
- Kunst und Kultur