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Bähr Ein Blick in die Sammlung
Anders als in seiner tatsächlich in Brüssel ange-
häuften Kollektion, in der ca. 800 Meisterwer-
ke der deutschen und niederländischen Schule
vertreten waren, fanden hier nur italienische
Gemälde – etwa die Hälfte des Gesamtbestan-
des – Beachtung (Abb. 2). Einen Großteil da-
von hatte Leopold Wilhelm bei dem wenige
Jahre zuvor abgehaltenen Verkauf der engli-
schen Sammlung Hamilton erworben, die ih-
rerseits direkt aus dem Besitz des Venezianers
Bartolomeo della Nave hervorging, also Werke
erster Güte und Provenienz enthielt.6 So über-
rascht es wenig, dass vier Fünftel der Repro-
duktionen nach venezianischen Gemälden vor
allem des 16., aber auch des 17. Jahrhunderts
gefertigt wurden. Die Anordnung der Radie-
rungen erfolgte in monographischen Blöcken,
nicht jedoch nach Chronologie oder Topogra-
phie. Die allein schon beeindruckende Vielzahl
an Stichen ergänzte Teniers noch um eine Liste
der in der Sammlung vertretenen nordeuropä-
ischen Maler.
Das Vorwort, hier als Brief aus Wien abge-
fasst, ergänzt das Gezeigte, indem es eine kur-
sorische Beschreibung der Stallburggalerie, in
die der Bilderschatz des Erzherzogs schon 1656
gebracht worden war, liefert. Die Höhepunkte
der Galerie sind demzufolge die Säle mit den
italienischen Gemälden, Pieter Bruegels d.Ä.
Monatsbilder sowie die in einem Raum verein-
ten Blumen- und Fruchtstücke. Erstaunlicher-
weise verbildlicht die Galerieansicht, die als
letztes Blatt den Band abschließt und somit das
Gegenstück zum Vorwort bildet, keine dieser
Attraktionen, sondern lenkt den Blick mit dem
Entrée des Galeriegangs mit in drei Zonen bis
zum Boden dicht gehängten Gemälden, anti-
ken Büsten auf Konsolen sowie weiteren Bil-
dern um die Fensterlaibungen auf die Fülle des Gemäldebestands (Abb. 3). Mit den zahl-
reichen Radierungen des am höchsten geschätzten italienischen Bilderschatzes und den
Einblicken in die Wiener Galerie zielt Teniers also vor allem darauf, eine umfassende Vor-
stellung der schier unermesslichen Größe und des Reichtums der Sammlung zu geben
und Leopold Wilhelm als gebildeten Sammler in Szene zu setzen.
Wenige Jahre später gibt am französischen Hof Ludwigs XIV. eine völlig anders geartete
Konzeption eines Galeriewerks den Weg für eine neue Ausrichtung dieser Stichwerke vor:
Die Tableaux du Cabinet du Roy7 erschienen innerhalb einer Folge von knapp fünfzig Bän-
den des Cabinet du Roy, die Jean-Baptiste Colbert initiiert hatte.8 Sie sollten den königli-
chen Besitz Ludwigs XIV., vor allem seine Schlösser und Gärten, aber auch die Tapisserien,
die Feste und die Antiken vorführen. Zugleich kam ihnen die Aufgabe zu, innerhalb dieser
Abb. 2
Theatrum Pictorium, 1660:
Lucas Vostermann II. nach Giovanni Battista
Moroni, Porträt eines Bildhauers, Taf. 53
Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums
Europäische Museumskultur um 1800, Volume 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums
- Subtitle
- Europäische Museumskultur um 1800
- Volume
- 2
- Author
- Gudrun Swoboda
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2013
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79534-6
- Size
- 24.0 x 28.0 cm
- Pages
- 264
- Category
- Kunst und Kultur