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Bähr Ein Blick in die Sammlung
unten, größere, meist italienische Mythologien, oben, gekrönt
von in die Deckenzone ragenden, altdeutschen Porträts – ähn-
lich der Hängung in der Stallburg. Lothar Franz’ Klage über die
fehlenden Künstlernamen auf den Rahmen macht deutlich,
dass in diesen Ansichten zwar die Fülle des Gesammelten ge-
zeigt werden konnte, Bedeutung und Güte des einzelnen Ge-
mäldes aber völlig untergingen, daher also nur ein Galerie-
werk mit seinen Einzelstichen in der Lage war, die Meisterwer-
ke und damit den Wert der Sammlung entsprechend zu
repräsentieren.17
Ohne einen einzigen Stich mit der expliziten Wiedergabe der
Hängung zu zeigen, ist Karl Heinrich Heineckens Dresdener
Galeriewerk dennoch eine wichtige Quelle dafür, zieht sich
seine Beschäftigung mit der Präsentation des Gemälde-
bestands doch durch die gesamte Publikation des Recueil
d’Estampes de la Galerie Royale de Dresde.18 Maßgeblich für
seine Konzeption waren die Tableaux du Cabinet du Roy mit
ihrer Kunstgeschichtsschreibung im repräsentativen Stich-
werk. Weiterentwickelt worden war dieser Typus insbesonde-
re von Pierre Crozat in seinem Recueil d’Estampes19 1729 bzw.
1742, der nun gegliedert in acht Malerschulen die gesamte
Kunstgeschichte anhand der Gemäldereproduktionen des
französischen Königs, des Comte d’Orléans und seiner eige-
nen Sammlung vorführen wollte (Abb. 10).20 Allerdings kam
die Veröffentlichung über einen Band zur römischen und
einen Teil der venezianischen Schule nicht hinaus. Gleich-
wohl wurde das Werk, insbesondere durch die begleitenden
Texte von Pierre-Jean Mariette, zu einer der gefragtesten
Stichwerk publikationen der Zeit. Heinecken, der selbst in
engem Kontakt zu Mariette stand, orientierte sich vor allem
mit seinem gelehrten Vorwort zur Bedeutung der Malerei,
weitgehend nach Schulzusammenhängen geordneten, auf-
wendig gestochenen Kupferstichen sowie mit gelehrten Kommentaren und mit kenner-
schaftlichem Apparat gespickten Beschreibungen stark an Crozats Publikation.
Wichtige Impulse für die Anfertigung des zweibändigen, 1753 und 1757 erschienenen
Dresdener Großfoliowerks lieferten sicherlich die Fertigstellung des Stallgebäudes und die
dortige Neueinrichtung der Gemäldegalerie 1745 sowie die überwältigenden Gemäldeer-
werbungen aus Modena, Prag, Paris und Venedig.21 Mit Grund- und Aufriss der Galerie
zeigt Heinecken den konkreten Ort (Abb. 11): Vor allem macht er damit die Trennung der
nordeuropäischen Gemälde in einer inneren, der italienischen Malerei in einer äußeren
Galerie bekannt, eine Aufteilung, die im Galeriewerk selbst sonst jedoch keinen Widerhall
erfährt. Mit didaktischem Impetus begreift Heinecken die Galerie im Vorwort als École
publique: Eine wohlgeordnete Hängung biete die Möglichkeit zum Studium der Malerei,
zur Erlangung von Kunstkenntnissen und zur Gewinnung eines Überblicks über die Kunst-
geschichte – Kriterien, die bis heute ihre Gültigkeit haben.
Die jeweils fünfzig aufwendigen und großformatigen Kupferstiche (Abb. 12), die mit
erheblichem Aufwand in Dresden gezeichnet, dann aber an Stecher in Frankreich, Italien und
den Niederlanden gegeben wurden, zeigen die von August III am meisten geschätzten
Gemälde der Sammlung. Anders als in der Galerie selbst, sind die Stiche parallel in beiden
Abb. 10
Recueil Crozat, II, 1742: Louis Jacob nach
Veronese, Persée et Andromede, Taf. 153
Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums
Europäische Museumskultur um 1800, Volume 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums
- Subtitle
- Europäische Museumskultur um 1800
- Volume
- 2
- Author
- Gudrun Swoboda
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2013
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79534-6
- Size
- 24.0 x 28.0 cm
- Pages
- 264
- Category
- Kunst und Kultur