Page - 81 - in Der Stoff, aus dem Konflikte sind - Debatten um das Kopftuch in Deutschland, Österreich und der Schweiz
Image of the Page - 81 -
Text of the Page - 81 -
SELIGE MUSLIMINNEN ODER MARGINALISIERTE MIGRANTINNEN?
81
als kulturell differente, frauendiskriminierende Praxis, die Mädchen und
Frauen zur Unterordnung unter männliche Familienmitglieder zwinge. Ein
von der FPÖ gefordertes Kopftuchverbot wird sowohl als Maßnahme zur
Erhaltung einer von Modernität und Christentum geprägten ›Leitkultur‹ Eu-
ropas als auch zur Befreiung von Frauen dargestellt, wobei das Kopftuch als
Gegensymbol zu Europa eingesetzt wird. So verwendete das von der FPÖ lan-
cierte Volksbegehren »Österreich bleib frei« unter anderem das Kampagnen-
sujet einer mit der europäischen Flagge verschleierten Frau als Symbol für die
Entwicklungen, gegen welche die Initiative auftrat (Hadj-Abdou/Rosenberger
2009).
Während sich das BZÖ hingegen in der Regierung noch gegen ein Kopf-
tuchverbot aussprach, integrierte die Partei die Forderung nach einem Verbot
2007 in ihr politisches Programm. Die Position und Darstellungsweise des
BZÖ im Hinblick auf die ›Kopftuchfrage‹ gleicht nunmehr derjenigen der
FPÖ.
Musste die ÖVP-Innenministerin 2004 von ihren Kopftuchverbotsforde-
rungen noch Abstand nehmen, ist inzwischen auch in der ÖVP eine vermehrte
Positionierung gegen das Kopftuch zu bemerken. So erklärte etwa der Ge-
neralsekretär der ÖVP, Hannes Missethon, im Herbst 2007 in einem Inter-
view, in welchem er die Unterdrückung von Frauen in Migrantenfamilien be-
tonte, dass er gegen das Kopftuch an Universitäten und Schulen sei: »Das
Kopftuch ist im Gegensatz zu anderen Religionen ein politisches Signal« (zit.
nach Linsinger/Schmid 2007: 27).7 Des Weiteren sprach sich auch der ÖVP-
Wissenschaftsminister Johannes Hahn in einem Interview für ein Kopftuch-
verbot im öffentlichen Dienst sowie für ein Burkaverbot im öffentlichen
Raum aus (Salomon 2008).
Zwar ist in den letzten Jahren eine verstärkte Problematisierung vor allem
in der politischen Arena zu vermerken, jedoch hat dies bis zum gegenwärtigen
Zeitpunkt nach wie vor keinen Konflikt generiert, vielmehr existiert eine
Kontinuität einer ›toleranten‹ Regelung.
Wie kann nun diese Bestätigung der ›toleranten‹ Kopftuchregulierungen
für die österreichische Situation erklärt werden und welche Bedeutung hat
dies hinsichtlich der Teilhabechancen von muslimischen Frauen?
7 In Salzburg löste zudem ein Erlass des Landesschulratspräsidenten Herbert
Gimpl (SPÖ), welcher die Möglichkeit des Tragens des muslimischen Kopf-
tuchs im Turnunterricht bestätigte, politische Auseinandersetzungen aus. Die
ÖVP-Landespartei wandte sich gegen die Anordnung und interpretierte das
Kopftuch als frauenunterdrückend und rückwärts gewandt (Witzmann 2008).
Der Stoff, aus dem Konflikte sind
Debatten um das Kopftuch in Deutschland, Österreich und der Schweiz
- Title
- Der Stoff, aus dem Konflikte sind
- Subtitle
- Debatten um das Kopftuch in Deutschland, Österreich und der Schweiz
- Authors
- Sabine Berghahn
- Petra Rostock
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2009
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-89942-959-6
- Size
- 14.7 x 22.4 cm
- Pages
- 526
- Keywords
- Religion, Migration, Geschlechterverhältnisse, Demokratie, Rechtssystem, Politik, Recht, Islam, Islamwissenschaft, Gender Studies, Soziologie, Democracy, Politics, Law, Islamic Studies, Sociology
- Category
- Recht und Politik