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Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška - Von den Anfängen bis 1942, Volume 1: A – I
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Page - 91 - in Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška - Von den Anfängen bis 1942, Volume 1: A – I

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91 Amtssprache fast ausschließlich Beamte angestellt, die nicht oder nur mäßig gut slowenisch sprachen. Das führte zu Nachteilen für die überwiegend slowenisch sprechende Kärntner Bevölkerung, etwa zu Fehlurteilen bei Ge- richt oder Fehldiagnosen beim Arzt. Gesuche von Ge- meindevertretungen um slowenische Übersetzungen von Landesgesetzen wurden wiederholt abgewiesen (→  Landesgesetzblatt), slowenische Eingaben an den Landesausschuss von diesem (rechtswidrig) sogar mit Geldstrafen geahndet. Der Entwicklungsschub, den die slowenische Sprache im 18. und 19. Jh. in Literatur und Kultur erlebte, konnte aus diesen Gründen nicht auf den amtssprachlichen Bereich ausgedehnt werden. Gleich nach der Kärntner →  Volksabstimmung im Jahr 1920 sollten die im →  Vertrag von Saint-Germain ver- brieften, wenn auch restriktiv angesetzten Rechte, die erstmals von einer →  Minderheit sprechen und nicht mehr von konstitutiven Völkern (bzw. →  »Volksstäm- men«), zur Anwendung kommen. Jedoch wurde jed- weder Dienstbetrieb in slowenischer Sprache in Kärn- ten/Koroška eingestellt. Der Slowenischunterricht an Schulen, wodurch die slowenische Bevölkerung zum Schriftverkehr in slowenischer Sprache befähigt wer- den könnte, wurde sukzessive abgeschafft (→  Schulwe- sen). Die Verhandlungen um eine →  Kulturautonomie für die Kärntner Slowenen, geführt in den Jahren 1928 bis 1930 auf Druck deutscher Minderheiten in anderen Ländern, denen die schlechte Lage der Kärntner Slo- wenen bei ihren eigenen Bemühungen um Minderhei- tenrechte schadete, verliefen im Sande. Die Lage nach 1945 bis zur Gegenwart. Die aktu- elle Amtssprachenregelung und deren Umsetzung fol- gen weitgehend restriktiven historischen Mustern. Für die Kärntner und →  steirischen Slowenen stützt sie sich im Wesentlichen auf Artikel 7 Z. 3 des Staatsvertra- ges von Wien (BGBl. Nr. 152/1955), welcher bestimmt, dass in den Verwaltungs- und Gerichtsbezirken Kärn- tens mit slowenischer und gemischter Bevölkerung das Slowenische zusätzlich zum Deutschen als Amtsspra- che zugelassen ist. Aus der Entstehungsgeschichte des Staatsvertrages ist klar ersichtlich, dass hier jenes Ge- biet gemeint war, in dem das zweisprachige Schulwesen nach dem Beschluss der provisorischen Kärntner Lan- desregierung vom 31. Oktober 1945 eingeführt wurde. Eine konsequente Durchsetzung der slowenischen Amtssprache hätte von Anfang an den Aufbau einer zweisprachigen Landesbürokratie erfordert. Zweispra- chigkeit wäre dementsprechend Anstellungserfordernis im öffentlichen und staatsnahen Sektor geworden. Das hätte naturgemäß den Bedarf nach einer qualifizierten zweisprachigen Schulbildung und einem zweisprachi- gen Schulsystem gestärkt. Dementsprechend präzisier- ten die Kärntner Slowenen ihre Vorstellungen, vor al- lem den Geltungsbereich der slowenischen Sprache als zusätzliche A., in einem Memorandum im Jahr 1955 (Klemenčič 2010, 89, Vouk 2012, 152). Die zum Artikel 7 ergangenen einfachgesetzlichen Regelungen (Volksgruppengesetz 1976, Amtssprachenverordnung 1977) sind viel restriktiver und wurden vom österrei- chischen Verfassungsgerichtshof mehrfach (1987, 1996, 1999, 2000) als verfassungswidrig aufgehoben. Die praktische Anwendung der slowenischen Sprache bei Behörden und Ämtern ist aufgrund der komplizier- ten Regelungen über Zuständigkeiten und Verwen- dungsberechtigung erschwert und für den Einzelnen mühsam. Im Jahr 2000 entschied der Verfassungs- gerichtshof, dass in Gemeinden mit 10 % oder mehr slowenischer Bevölkerung die slowenische Sprache zusätzlich zum Deutschen als Amtssprache zugelassen sein muss. Nach Untätigkeit der zuständigen Behör- den (Republik Österreich und Land Kärnten/Koroška) erkannte im Jahr 2005 das Ministerkomitee des Eu- roparates in seinem ersten Staatenbericht strukturelle Mängel in der österreichischen Sprachenpolitik und verlangte die unverzügliche Umsetzung des Erkennt- nisses des Verfassungsgerichtshofes zur slowenischen Amtssprache. Die Amtssprachenregelung ist eng mit der Regelung der Aufschriften topografischer Natur (sog. Ortstafel-Frage) verbunden. Die dort geübte re- striktive Praxis findet ihren Niederschlag auch in der Amtssprachenpolitik. Das nach dem sogenannten »Kärntner Ortstafelkompromiss« im Juli 2011 geän- derte Volksgruppengesetz enthält neue diskriminie- rende und dem Gleichheitsgrundsatz widersprechende Regelungen zur Amtssprache, dies sogar im Verfas- sungsrang. Vom Präsidenten des österreichischen Ver- fassungsgerichtshofs Dr. Holzinger wurden diese Bestimmungen als »nicht nachvollziehbar« bezeichnet. So wurde auf politischen Druck des rechten Lagers in Kärnten/Koroška (FPÖ bzw. FPK) in zwei Kärntner Gemeinden mit einem slowenischen Bevölkerungs- anteil von mehr als 10 % das Recht auf Gebrauch der slowenischen Sprache als A. nur Bewohnern bestimm- ter Ortschaften (Gemeinde Eberndorf/Dobrla vas : 3 Ortschaften, Gemeinde St.  Kanzian/Škocjan : 11 Ort- schaften) gewährt, was gegen EU-Recht und gegen das Verschlechterungsverbot von Minderheitenschutz- bestimmungen verstößt.
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Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška Von den Anfängen bis 1942, Volume 1: A – I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Subtitle
Von den Anfängen bis 1942
Volume
1: A – I
Authors
Katja Sturm-Schnabl
Bojan-Ilija Schnabl
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2016
Language
German
License
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-79673-2
Size
24.0 x 28.0 cm
Pages
542
Categories
Geographie, Land und Leute
Kunst und Kultur

Table of contents

  1. Geleitwort von Ana Blatnik, Präsidentin des Bundesrates (Juli – Dezember 2014) 7
  2. Spremna besede Ane Blatnik, predsednice državnega sveta (julij – december 2014) 8
  3. Geleitwort von Johannes Koder 9
  4. Vorwort der Herausgeberin und des Herausgebers 11
  5. Einleitung – slowenische Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška 15
  6. Alphabetische Liste der AutorenInnen/BeiträgerInnen im vorliegenden Band 38
  7. Verzeichnis der Siglen 40
  8. Verzeichnis der Abkürzungen und Benutzungshinweise 46
  9. Editoriale Hinweise 51
  10. Lemmata Band 1 A – I 55
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