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Amtssprache
fast ausschließlich Beamte angestellt, die nicht oder
nur mäßig gut slowenisch sprachen. Das führte zu
Nachteilen für die überwiegend slowenisch sprechende
Kärntner Bevölkerung, etwa zu Fehlurteilen bei Ge-
richt oder Fehldiagnosen beim Arzt. Gesuche von Ge-
meindevertretungen um slowenische Übersetzungen
von Landesgesetzen wurden wiederholt abgewiesen
(→ Landesgesetzblatt), slowenische Eingaben an den
Landesausschuss von diesem (rechtswidrig) sogar mit
Geldstrafen geahndet. Der Entwicklungsschub, den
die slowenische Sprache im 18. und 19. Jh. in Literatur
und Kultur erlebte, konnte aus diesen Gründen nicht
auf den amtssprachlichen Bereich ausgedehnt werden.
Gleich nach der Kärntner →
Volksabstimmung im Jahr
1920 sollten die im → Vertrag von Saint-Germain ver-
brieften, wenn auch restriktiv angesetzten Rechte, die
erstmals von einer → Minderheit sprechen und nicht
mehr von konstitutiven Völkern (bzw. → »Volksstäm-
men«), zur Anwendung kommen. Jedoch wurde jed-
weder Dienstbetrieb in slowenischer Sprache in Kärn-
ten/Koroška eingestellt. Der Slowenischunterricht an
Schulen, wodurch die slowenische Bevölkerung zum
Schriftverkehr in slowenischer Sprache befähigt wer-
den könnte, wurde sukzessive abgeschafft (→ Schulwe-
sen). Die Verhandlungen um eine → Kulturautonomie
für die Kärntner Slowenen, geführt in den Jahren 1928
bis 1930 auf Druck deutscher Minderheiten in anderen
Ländern, denen die schlechte Lage der Kärntner Slo-
wenen bei ihren eigenen Bemühungen um Minderhei-
tenrechte schadete, verliefen im Sande.
Die Lage nach 1945 bis zur Gegenwart. Die aktu-
elle Amtssprachenregelung und deren Umsetzung fol-
gen weitgehend restriktiven historischen Mustern. Für
die Kärntner und → steirischen Slowenen stützt sie sich
im Wesentlichen auf Artikel 7 Z. 3 des Staatsvertra-
ges von Wien (BGBl. Nr. 152/1955), welcher bestimmt,
dass in den Verwaltungs- und Gerichtsbezirken Kärn-
tens mit slowenischer und gemischter Bevölkerung das
Slowenische zusätzlich zum Deutschen als Amtsspra-
che zugelassen ist. Aus der Entstehungsgeschichte des
Staatsvertrages ist klar ersichtlich, dass hier jenes Ge-
biet gemeint war, in dem das zweisprachige Schulwesen
nach dem Beschluss der provisorischen Kärntner Lan-
desregierung vom 31. Oktober 1945 eingeführt wurde.
Eine konsequente Durchsetzung der slowenischen
Amtssprache hätte von Anfang an den Aufbau einer
zweisprachigen Landesbürokratie erfordert. Zweispra-
chigkeit wäre dementsprechend Anstellungserfordernis
im öffentlichen und staatsnahen Sektor geworden. Das hätte naturgemäß den Bedarf nach einer qualifizierten
zweisprachigen Schulbildung und einem zweisprachi-
gen Schulsystem gestärkt. Dementsprechend präzisier-
ten die Kärntner Slowenen ihre Vorstellungen, vor al-
lem den Geltungsbereich der slowenischen Sprache als
zusätzliche A., in einem Memorandum im Jahr 1955
(Klemenčič 2010, 89, Vouk 2012, 152). Die zum
Artikel 7 ergangenen einfachgesetzlichen Regelungen
(Volksgruppengesetz 1976, Amtssprachenverordnung
1977) sind viel restriktiver und wurden vom österrei-
chischen Verfassungsgerichtshof mehrfach (1987, 1996,
1999, 2000) als verfassungswidrig aufgehoben. Die
praktische Anwendung der slowenischen Sprache bei
Behörden und Ämtern ist aufgrund der komplizier-
ten Regelungen über Zuständigkeiten und Verwen-
dungsberechtigung erschwert und für den Einzelnen
mühsam. Im Jahr 2000 entschied der Verfassungs-
gerichtshof, dass in Gemeinden mit 10 % oder mehr
slowenischer Bevölkerung die slowenische Sprache
zusätzlich zum Deutschen als Amtssprache zugelassen
sein muss. Nach Untätigkeit der zuständigen Behör-
den (Republik Österreich und Land Kärnten/Koroška)
erkannte im Jahr 2005 das Ministerkomitee des Eu-
roparates in seinem ersten Staatenbericht strukturelle
Mängel in der österreichischen Sprachenpolitik und
verlangte die unverzügliche Umsetzung des Erkennt-
nisses des Verfassungsgerichtshofes zur slowenischen
Amtssprache. Die Amtssprachenregelung ist eng mit
der Regelung der Aufschriften topografischer Natur
(sog. Ortstafel-Frage) verbunden. Die dort geübte re-
striktive Praxis findet ihren Niederschlag auch in der
Amtssprachenpolitik. Das nach dem sogenannten
»Kärntner Ortstafelkompromiss« im Juli 2011 geän-
derte Volksgruppengesetz enthält neue diskriminie-
rende und dem Gleichheitsgrundsatz widersprechende
Regelungen zur Amtssprache, dies sogar im Verfas-
sungsrang. Vom Präsidenten des österreichischen Ver-
fassungsgerichtshofs Dr. Holzinger wurden diese
Bestimmungen als »nicht nachvollziehbar« bezeichnet.
So wurde auf politischen Druck des rechten Lagers in
Kärnten/Koroška (FPÖ bzw. FPK) in zwei Kärntner
Gemeinden mit einem slowenischen Bevölkerungs-
anteil von mehr als 10 % das Recht auf Gebrauch der
slowenischen Sprache als A. nur Bewohnern bestimm-
ter Ortschaften (Gemeinde Eberndorf/Dobrla vas : 3
Ortschaften, Gemeinde St. Kanzian/Škocjan : 11 Ort-
schaften) gewährt, was gegen EU-Recht und gegen das
Verschlechterungsverbot von Minderheitenschutz-
bestimmungen verstößt.
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Von den Anfängen bis 1942, Band 1: A – I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1942
- Band
- 1: A – I
- Autoren
- Katja Sturm-Schnabl
- Bojan-Ilija Schnabl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79673-2
- Abmessungen
- 24.0 x 28.0 cm
- Seiten
- 542
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- Geleitwort von Ana Blatnik, Präsidentin des Bundesrates (Juli – Dezember 2014) 7
- Spremna besede Ane Blatnik, predsednice državnega sveta (julij – december 2014) 8
- Geleitwort von Johannes Koder 9
- Vorwort der Herausgeberin und des Herausgebers 11
- Einleitung – slowenische Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška 15
- Alphabetische Liste der AutorenInnen/BeiträgerInnen im vorliegenden Band 38
- Verzeichnis der Siglen 40
- Verzeichnis der Abkürzungen und Benutzungshinweise 46
- Editoriale Hinweise 51
- Lemmata Band 1 A – I 55