Seite - 55 - in Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška - Von den Anfängen bis 1942, Band 1: A – I
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Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/
Koroška, Von den Anfängen bis 1942
Band 1 A – I
Abgeordnete (zum Kärntner Landtag und zu den
parlamentarischen Vertretungen auf gesamtstaatlicher
Ebene). Die österreichische Verfassungsentwicklung
und -geschichte seit 1848 bzw. die aufeinanderfolgen-
den → Wahlordnungen einerseits sowie auch die all-
gemeinen soziolinguistischen Entwicklungen im Land
andererseits haben ihren Widerhall in der politischen
Geschichte auch der Slowenen in → Südkärnten/Južna
Koroška.
Dabei sticht insbesondere das Paradigma des → As-
similationszwanges hervor, das den politischen und ge-
sellschaftlichen Aufstieg in zunehmendem Maße mit
der Verneinung der slowenischen Identität junktimierte.
Einen derartigen gesellschaftlichen Aufstieg stellte
insbesondere auch die Wahl zum Landtags- oder in
habsburgischer Zeit zum Reichsratsabgeordneten bzw.
allgemein in den gesamtstaatlichen parlamentarischen
Vertretungen dar, sodass aufgrund der diskriminieren-
den Wahlordnungen und → Wahlkreiseinteilungen
sowie weiterer soziolingusitischer Rahmenbedingun-
gen identitätsbewusste Slowenen kaum höhere politi-
sche Ämter einnehmen konnten, ebenso wie ihnen de
facto höhere Beamtenpositionen weitgehend verwehrt
waren. Lediglich das Amt des → Bürgermeisters (und
des niederen Klerus) scheint in habsburgischer Zeit
noch weitgehend Slowenen zugänglich gewesen zu
sein. Folglich findet sich nur eine geringe Anzahl von
Slowenen im Kanon der identitätsbewussten »sloweni-
schen Politiker« auf Landesebene.
Zudem wird die Rezeption der politischen Partizi-
pation der Slowenen in dieser Zeit durch die → Ge-
schichtsschreibung selbst zusätzlich minimiert, da die
slowenischen Aspekte systematisch ausgeblendet und
weitgehend verdrängt wurden (→ »Entethnisierung«).
Es wurden nur jene wenigen politischen Akteure oder
gesellschaftliche Gegebenheiten als »slowenisch« iden-
tifiziert, die explizit einen slowenischen identitätsstif-
tenden Charakter hatten. Alles andere wurde in der
Regel nur aus der Perspektive einer regionalen bzw. ter-
ritorialen →
Identität dargestellt, was die wissenschaft-
liche Forschung zur slowenischen →
Kulturgeschichte im Land erheblich erschwert (→
Geschichtsschreibung
und kognitive Dissonanz). Doch auch die »sloweni-
sche« Geschichtsschreibung scheint ihrerseits einen
ethnischen Ansatz verfolgt zu haben bzw. konzent-
rierte sich auf identitätsbewusste ethnische Slowenen.
Insgesamt zeigt sich zudem eine Diskrepanz zwi-
schen einem weitgehend geschlossenen ethnischen Ter-
ritorium (→ Sprachgrenze, → Pfarrkarte der Diözese
Gurk/Krška škofija 1924) und den daraus hervorgegan-
genen Abgeordneten, deren ethnischer Hintergrund
nicht thematisiert wird. Teilweise ist das wohl auf die
oben angeführten soziolinguistischen und historiogra-
fischen Problemfelder zurückzuführen, teilweise darauf,
dass in den deutsch dominierten Wahlkreisen aus rein
statistischen Gründen deutschsprachige Politiker zum
Zug kamen (→ Germanisierung, statistische ; Franz
→ Muri). Unabhängig davon trugen alle Abgeord-
neten auf ihre Art zum politischen, gesellschaftlichen,
wirtschaftlichen und kulturellen Leben des in jener
Zeit weitgehend slowenischsprachigen Südkärntens
bei, zumal nicht jeder Politikbereich notwendigerweise
auch ethnonationale oder identitätsbetreffende Inter-
essen originär berührte. Allein deshalb sind sie jedoch
u. a. auch für die »slowenische« Geschichtsschreibung
relevant.
Im provisorischen Landtag von 1848 können so zwei
Persönlichkeiten als Slowenen identifiziert werden, die
nicht vorrangig eine slowenische identitätsstiftende
oder nationale Politik verfolgen. Matija → Rulitz, ein
Slowene aus → Ferlach/Borovlje, trug die Petition
zur Loslösung des Kronlandes Kärnten/Koroška vom
Gubernium in Ljubljana. Jakob → Scheliessnigg ist
seinerseits vornehmlich für seine wirtschaftspolitischen
Interessen und als Mitglied des Frankfurter Parlaments
bekannt, wo er eine österreichische, für die Slowe-
nen damals durchaus günstigere Position vertrat. Der
Gailtaler Johann → Millonig sen. wurde 1848 Abge-
ordneter zum Kärntner Landtag und in Folge Mitglied
des provisorischen Landtags-Ausschusses (bis 1858).
Er vertrat eine deutschfreundliche und persönlich
motivierte antiklerikale und antikonservative Haltung.
Inhaltsverzeichnis
- Geleitwort von Ana Blatnik, Präsidentin des Bundesrates (Juli – Dezember 2014) 7
- Spremna besede Ane Blatnik, predsednice državnega sveta (julij – december 2014) 8
- Geleitwort von Johannes Koder 9
- Vorwort der Herausgeberin und des Herausgebers 11
- Einleitung – slowenische Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška 15
- Alphabetische Liste der AutorenInnen/BeiträgerInnen im vorliegenden Band 38
- Verzeichnis der Siglen 40
- Verzeichnis der Abkürzungen und Benutzungshinweise 46
- Editoriale Hinweise 51
- Lemmata Band 1 A – I 55