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Bibel
dom.it
mähren«). Method war 2 ½ Jahre in Salzburger
Klosterhaft, vermutlich im Benediktinerkloster Her-
renchiemsee (→
Chiemsee), literaturüblich »in Schwa-
ben« (Ellwangen, Baden-Württemberg). In der ältesten
(12. Jh.) altbulgarischen Handschrift der → Method-
vita aus Russland heißt es na Svaby (= Švaby). Das ist
eine Bezeichnung für alles, was man sonst mit nemcy
(anachronistisch übersetzt »Deutschland«) bezeichnete.
In der Salzburger Klosterhaft und über seine sloweni-
sche Mitarbeiter (→
Methodvita XVII) konnte sich
Method mit slowenischen Texten vertraut machen.
Das Unternehmen »Bibelübersetzung« (Method-Bibel)
war 882 mithilfe von Schnellschreibern skoropisci ab-
geschlossen. Einige Mitarbeiter waren gewiss aus dem
karantanischen Raum und mit →
karantanersloweni-
schen/→ altslowenischen Bibeltexten vertraut. Dieser
Text (gewichtmäßig mehrere Folianten) ist über das
damals bulgarische Belgrad nach Bulgarien gekommen.
Bei den slowenischen → Carantani wurde die Method-
Übersetzung nicht verwendet und wäre auch von den
Salzburger Weihbischöfen und Priestern (in → Maria
Saal/Gospa Sveta) nicht zugelassen worden. In der süd-
östlichen Salzburger Kirchenprovinz, deren Zentrum
Karantanien war, gab es schon 100 Jahre vor Method
Übersetzungen von Teilen der Heiligen Schrift (für
doctrina et officium), allerdings keine »Vollbibel«.
Papst Hadrian II. hat Method angeordnet :
»Diesen einen Brauch aber bewahrt : bei der Messe lest den
Apostel und das Evangelium zuerst römisch (= lateinisch),
dann slawisch (= slowenisch).« Das bedeutet, es gab
schon karantanerslowenische/slowenische Übersetzun-
gen. Method hat sich übrigens als Nachfolger seinen
Mitarbeiter Gorazd gewünscht, weil dieser »in latei-
nischen Schriften gut bewandert ist« (→ Methodvita).
Der slowenischen Übersetzung liegt wie in Salzburg/
Baivaria die lateinische Vulgata und nicht der griechi-
sche Reichstext zugrunde.
Die Übersetzung der B. ist für die meisten euro-
päischen Sprachen der Beginn einer eigenen Schrift-
sprache. Die christlichen (avant la date katholischen)
Slowenen in Karantanien (→ Maria Saal/Gospa Sveta)
und Pannonien (Moosburg/Zalavár) hatten schon seit
Anfang der Salzburger Mission nach 750 für Evan-
gelium und Lesung beim Gottesdienst slowenische
Übersetzungen in lateinischer Schrift. Das sind die äl-
testen Bibeltexte und Texte von slawischen Sprachen
überhaupt. Die (ebenfalls avant la date katholischen)
Kroaten hatten theoretisch seit 882/885 die Vollbibel
des Method in glagolitischer Schrift und die später orthodoxen Slawen in Bulgarien, Serbien, der Ukraine,
und in Russland in kyrillischer Schrift. Das Prestige ei-
nes solchen Textes stand weit über sonstiger Literatur.
Vollbibeln oder Gesamtbibeln erschienen meist
erst im Zusammenhang mit der politisch-religiösen
Bewegung des → Protestantismus, des sprachlichen
Selbstbewusstseins und der bewussten Volkwerdung
(→ Ethnogenese). Das Vorbild für die erste Gesamt-
übersetzung ins Slowenische war für die Protestanten
und später auch Katholiken die Übersetzung durch
Martin Luther (1534). Der Krainer → Dalmatin
bemüht sich in seiner 1584 in Wittenberg (Sachsen-
Anhalt) gedruckten Bibel, mit einer deutschen Vor-
rede für alle slowenischen Dialekte (darunter vor allem
kranjski und koroški) verständlich zu sein, und gibt eine
Art Dialekt-Konkordanz in einem »Register« heraus
(→ Dialektgruppen). Auch der Krainer → Trubar,
der Evangelienübersetzer nach der Luther’schen
Vorlage, wendet sich in seinem Katechismus (1550) an
das ganze slowenische Volk, Protestanten und Katho-
liken. Er spricht in der deutschen Vorrede von unse-
rer windischen Sprach (→ Windisch) und wendet sich
im slowenischen Text mit lubi Slovenci (meine lieben
Slowenen) an alle Slowenen (→ Ethnonym Slovenci im
Slowenischen, → Ethnonym Slowene im Deutschen).
Die Bibelübersetzung →
Dalmatins zählt nach der
Luthers zu den ersten europäischen Voll-Übersetzun-
gen der B. in eine »Nationalsprache«, was trotz Fehlens
eines Nationalstaates bemerkenswert ist. Das erklärt
sich als noch gefühlte relevante historische → Konti-
nuität karantanerslowenischer → Rechtstraditionen
wie etwa der → Fürsteneinsetzung (seit dem 8. Jh. auf
Karantanerslowenisch und dann bis 1414 in den neu-
eren slowenischen und bairischen Sprachformen), die
→ Trubar auf seinen Reisen durch Kärnten/Koroška
wahrgenommen haben musste. Beachtenswert ist die
Gründung der protestantischen Gemeinde → Agorit-
schach/Zagoriče (→ Arnoldstein/Podklošter), die über
Jahrhunderte als kryptoprotestantische Gemeinde die
slowenische Buchtradition wahrte und die Dalma-
tin-Bibeln aufbewahrte. Damit beginnt eine sprach-
liche Erneuerung/Veränderung auf krainischer Grund-
lage, die primär für die Protestanten gedacht war. Die
heutige slowenische Schriftsprache basiert auf diesen
von Krainern geschaffenen Texten. Der → Protestan-
tismus wird zum Geburtshelfer der neuen gesamtslo-
wenischen Literatursprache und somit der sloweni-
schen Nation. In den (katholischen) Kirchen Kärntens
wurden weiterhin die alten Texte verwendet, allmählich
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Von den Anfängen bis 1942, Volume 1: A – I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
- Subtitle
- Von den Anfängen bis 1942
- Volume
- 1: A – I
- Authors
- Katja Sturm-Schnabl
- Bojan-Ilija Schnabl
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79673-2
- Size
- 24.0 x 28.0 cm
- Pages
- 542
- Categories
- Geographie, Land und Leute
- Kunst und Kultur
Table of contents
- Geleitwort von Ana Blatnik, Präsidentin des Bundesrates (Juli – Dezember 2014) 7
- Spremna besede Ane Blatnik, predsednice državnega sveta (julij – december 2014) 8
- Geleitwort von Johannes Koder 9
- Vorwort der Herausgeberin und des Herausgebers 11
- Einleitung – slowenische Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška 15
- Alphabetische Liste der AutorenInnen/BeiträgerInnen im vorliegenden Band 38
- Verzeichnis der Siglen 40
- Verzeichnis der Abkürzungen und Benutzungshinweise 46
- Editoriale Hinweise 51
- Lemmata Band 1 A – I 55