Page - 181 - in Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška - Von den Anfängen bis 1942, Volume 1: A – I
Image of the Page - 181 -
Text of the Page - 181 -
181
Brauch
Buchcover, Mohorjeva
Slovenski etnografski muzej,
Ljubljana des Arbeitszyklus nachvollzogen werden kann, da sie
vielfach von der nachbarschaftlichen Hilfe gekenn-
zeichnet waren (Makarovič M. 1979).
Die Einhaltung von Bräuchen stellt den Einzelnen
in eine Beziehung zur Gesellschaft, in der er lebt. Mit
den Mustern, die die Menschen mit Bräuchen wieder-
holen, können auch gesellschaftliche Unterscheidun-
gen gefestigt werden. Bei Hochzeiten etwa spiegelte
die Sitzordnung oder der ständige Sitzplatz des Haus-
herrn die soziale Differenzierung und die Verhältnisse
zwischen den Menschen und ihre soziale Hierarchie
(Makarovič G. 2007, 526 ; Makarovič G. und Go-
dina-Golja 2007, 360).
Bräuche wirken auch auf der psychologischen Ebene,
was insbesondere von Kuret und Buckster hervor-
gehoben wurde (1997, 411). Letztere lassen sich insbe-
sondere bei den mit dem Tod verbundenen Bräuchen
feststellen, weil sie verschiedene Formen der (kol-
lektiven) Trauer beinhalten. Ähnliches kann bei den
Bräuchen festgestellt werden, bei denen geweihte Ge-
genstände verwendet werden, so das Verbrennen von
geweihtem Holz vor Hagel, das Entzünden einer ge-
weihten Kerze bei einem Sterbenden u. a. Diese Bräu-
che drücken die grundlegende Bändigung der Angst
und Machtlosigkeit des Einzelnen vor unvorhersehba-
ren und unangenehmen Situationen aus. Besonders bedeutend sind die Übergangsbräuche,
die mit apotropäischen Handlungen verbunden sind,
die Sicherheit bei der Veränderung des Status bieten.
Das sind etwa der Übergang vom unverheirateten zum
verheirateten Status oder vom Leben in den Tod. Die
Übergangsbräuche umfassen drei Teile : den Ritus der
Trennung, jenen des Übergangs (im engeren Sinn) und
den Ritus der Einbindung (Ložar-Podlogar 2007 :
500–501 ; Gennep 2000). Übergangsbräuche finden
sich im Kalender- und Jahreszyklus, z. B. beim Über-
gang vom Winter zum Frühling, am Ende oder am Be-
ginn der Arbeit u. a.
Sobald ein Brauch in einer Gesellschaft seine Funk-
tion verliert, wird er in der Regel aufgelassen, verändert
oder durch einen anderen ersetzt. Die Unterscheidung
zwischen Bräuchen und Gewohnheiten ist nicht klar
definiert, da ein Brauch in eine Gewohnheit überge-
hen kann und umgekehrt. Eine Gewohnheit ist zwar
ähnlich wie ein Brauch eine repetitive, vorbestimmte
Tätigkeit, doch im Unterschied zum Brauch ist diese
nicht mit dem Übernatürlichen verbunden, ist nicht
symbolbehaftet und erfordert keine besondere Feier-
lichkeit. Die Einhaltung eines Brauches ist im Unter-
schied zur Gewohnheit verbindlicher. Die Nichtein-
haltung eines Brauches kann für den Einzelnen oder
für die Gruppe größere Folgen mit sich bringen als
die Nichteinhaltung einer Gewohnheit (nach Kuret
1974 und 2007, 360). Gewohnheiten können alltäglich
sein (wie das morgendliche Kaffeetrinken, der Nach-
mittagsschlaf …) oder keinen regelmäßigen Charakter
haben (wie das zeitweilige Trinken von Wein bei einer
Mahlzeit …).
Besondere Verdienste insbesondere um die wissen-
schaftliche Aufarbeitung des slowenischen Brauch-
tums in Kärnten/Koroška hat das slowenische Volks-
kunde-Institut Urban Jarnik (Slovenski narodopisni
inštitut Urban Jarnik) in Klagenfurt/Celovec (→ Zab-
latnik, Dr. Pavle).
Lit.: SEL (2007) (N. Kuret : Navada ; H. Ložar-Podlogar : De-
lovne šege ; H. Ložar-Podlogar : Šega ; H. Ložar-Podlogar : Praz-
nik ; H. Ložar-Podlogar, I. Stavec-Gradišnik : Rittes de passage ; G.
Makarovič : Sedežni red za mizo ; G. Makarovič, M. Godina-Golja :
Navade in pravila vedenja pri jedi). – N. Kuret, Niko : Ziljsko štehvanje
in njegov evropski okvir = La quintaine des slovènes de la valée de la Zi-
lia (Gailtal) et son cadre européen. Ljubljana, 1963 ; N. Kuret : Navada
in šega. In : Traditiones 3 (1974) 69–80 ; M. Makarovič : Medsebojna
pomoč na vasi na Slovenskem. Tovarna poljedelskega orodja, kmetijs-
kih strojev in livarskih izdelkov. Ljubljana 1979 ; P. Zablatnik : Ljudska
verovanja, šege in navade na Koroškem. Celovec 1982 ; P. Zablatnik :
Čar letnih časov v ljudskih šegah na Koroškem : Stare vere in navade na
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Von den Anfängen bis 1942, Volume 1: A – I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
- Subtitle
- Von den Anfängen bis 1942
- Volume
- 1: A – I
- Authors
- Katja Sturm-Schnabl
- Bojan-Ilija Schnabl
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79673-2
- Size
- 24.0 x 28.0 cm
- Pages
- 542
- Categories
- Geographie, Land und Leute
- Kunst und Kultur
Table of contents
- Geleitwort von Ana Blatnik, Präsidentin des Bundesrates (Juli – Dezember 2014) 7
- Spremna besede Ane Blatnik, predsednice državnega sveta (julij – december 2014) 8
- Geleitwort von Johannes Koder 9
- Vorwort der Herausgeberin und des Herausgebers 11
- Einleitung – slowenische Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška 15
- Alphabetische Liste der AutorenInnen/BeiträgerInnen im vorliegenden Band 38
- Verzeichnis der Siglen 40
- Verzeichnis der Abkürzungen und Benutzungshinweise 46
- Editoriale Hinweise 51
- Lemmata Band 1 A – I 55