Page - 318 - in Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška - Von den Anfängen bis 1942, Volume 1: A – I
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»Entethnisierung«
Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška, d. h. die »Ent-
slowenisierung« der Kärntner Regionalgeschichte, ist
gerade durch die Negation eines nicht unwesentlichen
Teilaspektes der politischen und sonstigen Geschichte
problematisch, eben weil sie als Instrument der Exklu-
sion und des Ethnozentrismus angesehen werden kann.
Gerade dieses vielfache Verschweigen der slowenischen
Kulturgeschichte trägt, weil das Slowenische gesell-
schaftlich im Wesentlichen nur in dessen Verneinung
wahrgenommen wird, zur gesellschaftlichen Akzeptanz
von Diskriminierung und Menschenrechtsverletzung
und zur gesellschaftlichen Akzeptanz von zivilisato-
rischen Tragödien und kollektiven Traumatisierungen
von Menschen aufgrund ihrer slowenischen Herkunft
bei (→ Assimilant, → Assimilation, →
Assimilati-
onszwang, →
Gemischtsprachig, → Germanisierung,
→ Deutschnationale Vereine, →
Internierungen 1919,
→ Vertreibung 1920, → »Generalplan Ost«, →
Depor-
tationen 1942, →
Windischentheorie, → Zweispra-
chigkeitsideologie, →
Schulwesen). »Entethnisierung«
und Ethnisierung bilden daher nicht notwendigerweise
einen Widerspruch. Die Kritik an der Ethnisierung so-
wie an der »Entethnisierung« stellt vielmehr Ausprä-
gungen desselben humanistischen Diskurses in unter-
schiedlichen gesellschaftlichen Kontexten dar.
Die solchermaßen definierte Gleichung lautet :
Nationalideologisch begründete »Entethnisierung«
unter dem Vorwand der Überwindung nationaler
Geschichtsschreibung in Kärnten/Koroška > »Ent-
slowenisierung« > Regionalisierung/regionalhistori-
scher Ansatz > Geschichtsschreibung ohne sloweni-
schen Teilaspekt > suggestive Perspektivenverengung
> Sender-Empfänger-Modell in der Kommunikation
> Schaffung und graduelle Vertiefung kognitiver Dis-
sonanzen > der slowenische Teilaspekt der Geschichte
wird zur unbegründeten Zufallserscheinung und ver-
schwindet aufgrund von kognitiven Dissonanzen aus
dem Bewusstsein > die Restmenge der Regionalge-
schichte ist deutsch > Ethnisierung. Das heißt, der
regionalhistorische Ansatz unter dem Vorwand der
Überwindung als negativ empfundener nationaler (slo-
wenischer) Geschichtsschreibung führt zur Kärntner
E. der Geschichtsschreibung, die aufgrund des Sen-
der-Empfänger-Modells in der Kommunikation und
aufgrund von kognitiven Dissonanzen eine verdeckte,
schleichende Ethnisierung mit dem Ziel der ideologi-
schen Germanisierung der Geschichtsschreibung des
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Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Von den Anfängen bis 1942, Volume 1: A – I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
- Subtitle
- Von den Anfängen bis 1942
- Volume
- 1: A – I
- Authors
- Katja Sturm-Schnabl
- Bojan-Ilija Schnabl
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79673-2
- Size
- 24.0 x 28.0 cm
- Pages
- 542
- Categories
- Geographie, Land und Leute
- Kunst und Kultur
Table of contents
- Geleitwort von Ana Blatnik, Präsidentin des Bundesrates (Juli – Dezember 2014) 7
- Spremna besede Ane Blatnik, predsednice državnega sveta (julij – december 2014) 8
- Geleitwort von Johannes Koder 9
- Vorwort der Herausgeberin und des Herausgebers 11
- Einleitung – slowenische Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška 15
- Alphabetische Liste der AutorenInnen/BeiträgerInnen im vorliegenden Band 38
- Verzeichnis der Siglen 40
- Verzeichnis der Abkürzungen und Benutzungshinweise 46
- Editoriale Hinweise 51
- Lemmata Band 1 A – I 55