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Fürsteneinsetzung
Buchcover mit einer Zeit-
genössischen Darstellung
der Herzogseinsetzung von
Leopold Stainreuter aus dem
14. Jh.
Habsburger, der sich der gesamten Zeremonie der F.
unterzog. Ab 1597 fand die F. nicht mehr statt. Die
ältesten Berichte über eine »Fürstenwahl« und ihre Ze-
remonie kennen wir aus der Reimchronik des Otakar
aus der Gaal († um 1320), aus dem Schwabenspiegel,
einem Rechtsbuch des 14. Jh.s (Einschub : von hertzogen
und kaerdnern rechten), und aus dem Bericht liber certa-
rum historiarum des Abtes von Viktring/Vetrinj → Jo-
hannes († 1347). Was vom 8. bis ins 13. Jh. wirklich
bei den einzelnen F. geschah, kann man nur vermuten.
Allen Berichten gemeinsam ist, dass → windisch/slo-
wenisch gesprochen wurde (der gewählte Fürst wurde
›windisch‹ gefragt und musste ›windisch‹ antworten)
und dass das »Volk« bei der Huldigung windische Lais-
sen (→ Lieder) gesungen hat. Leider sind die Texte
nicht aufgeschrieben. Die Volksversammlung (bei den
Russen veče), bestehend aus den freien Bauern (→ Ed-
linger/Kosezi [vgl. polnisch ksiądz]), den Wehrbauern
(→ in pago Crouuati) oder den Wahlmännern (dobri
ljudi, bairisch »die Herren«). Sie »wählten« den neuen
Fürsten. Geschäftsführend war der slowenische »Her-
zogbauer«. Da Slowenisch nicht geschrieben wurde,
sondern nur Latein und Bairisch (→ Minnesang), ist die slowenische Terminologie für Fürst/Herzog, Her-
zogbauer, Parlament, Wehrbauer, Freibauer, Eid und dgl.
wie in der deutschsprachigen Historiografie üblich nur
aus Relikten im Wortschatz rekonstruierbar. So heißt
im Gegensatz zu allen anderen slawischen Sprachen
»der Bauer« kmet. Das geht eindeutig auf lat. comis/
comitem (meist als »Graf« übersetzt, slowenisch heute
grof) und das Ladinische (heute cunt, französisch comte)
zurück. Es scheint mit der bedeutenden Rolle der ka-
rantanerslowenischen Freibauern (→ Edlinger/kosezi)
»den Grafen comites« zusammenzuhängen.
631 wird erstmals ein dux Vinedorum genannt, dann
der sagenumwobene Samo (7. Jh.) und nach einer
Zeitlücke von etwa 100 Jahren im 8. Jh. Borut († 750),
sein Sohn Carastus/Gorazd, sein Neffe Cheit-
mar/Hotimir, dann ein Waltunc/Vladyka († um
788) und noch eine Reihe anderer → duces Carantano-
rum. In dieser Zeit gab es öfter Aufstände → carmula
der heidnischen Granden pagani gentiles, die das Chris-
tentum nicht annehmen wollten. Eine entscheidende
Veränderung war unter Borut die Einführung des
Christentums durch → Salzburg und der Anschluss an
→ Baivarien (ab 745) (→ Christianisierung). Ein Fürst
musste von da an Christ (karantanerslowenisch krišken,
so in den → Freisinger Denkmälern) sein. Zur Diskus-
sion steht, welche Sonderrechte und eigene Bräuche »in
Baivarisch/Salzburger Zeit« in Karantanien erhalten
blieben oder entstanden sind. Waren es landeseigene,
ursprünglich slawisch/slowenische oder awarische
(→
Awaren) ? »Germanische« Herkunft, an die man
in nationalsozialistischen Zeiten dachte, verbietet sich
aufgrund des völligen Fehlens germanischen Brauch-
tums im Alpenraum (→ Personalitätsprinzip). Jeden-
falls ist die vom Abt von Viktring/Vetrinj geschilderte
Zeremonie der F. (er war bei einer selbst Augenzeuge)
in ihrer Art weitherum einzigartig. Das Thema wurde
literaturüblich zu einer rechtshistorisch/volkskundli-
chen Frage. Die von → Virgil erwähnten → carmula
waren keine von manchen ideologisch gedeuteten Auf-
stände der »Ackerbauern« gegen die »Viehzüchter«
oder der Slowenen gegen die Awaren, sondern der re-
nitenten, dem alten Glauben anhängenden »Slowenen«
der Oberschicht pagani gentiles und der Taufwilligen.
Bedauerlich ist, dass nicht einmal der slowenische Titel
(die Dignitätsbezeichnung) des Fürsten, des Herrschers
und obersten Richters bekannt ist : Blag/blaž (Blažje
polje »Fürstenfeld«), župan/pan, bojan/ban (Baniki/
Fanning) kämen infrage. Knez (in der Kiewer Rus aus
altschwedisch konung über altrussisch kunendz > rus-
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Von den Anfängen bis 1942, Volume 1: A – I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
- Subtitle
- Von den Anfängen bis 1942
- Volume
- 1: A – I
- Authors
- Katja Sturm-Schnabl
- Bojan-Ilija Schnabl
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79673-2
- Size
- 24.0 x 28.0 cm
- Pages
- 542
- Categories
- Geographie, Land und Leute
- Kunst und Kultur
Table of contents
- Geleitwort von Ana Blatnik, Präsidentin des Bundesrates (Juli – Dezember 2014) 7
- Spremna besede Ane Blatnik, predsednice državnega sveta (julij – december 2014) 8
- Geleitwort von Johannes Koder 9
- Vorwort der Herausgeberin und des Herausgebers 11
- Einleitung – slowenische Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška 15
- Alphabetische Liste der AutorenInnen/BeiträgerInnen im vorliegenden Band 38
- Verzeichnis der Siglen 40
- Verzeichnis der Abkürzungen und Benutzungshinweise 46
- Editoriale Hinweise 51
- Lemmata Band 1 A – I 55