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Grenzfrage, österreichisch-jugoslawische in Kärnten/Koroška (1918–1920)
Grabstein Mijo Mešiček in
St. Michael ob der Gurk
(Windisch St. Michael)/Slo-
venji Šmihel, Foto Bojan-Ilija
Schnabl
Tageszeitung Draupost etc. (→ Publizistik). In der pro-
jugoslawischen Volksabstimmungspropaganda enga-
gierte sich eine Mehrheit der slowenischen Geistlich-
keit, mit Ausnahme etwa von Valentin →
Podgorc,
der für Österreich eintrat. Seit Sommer 1919 wurden
Frauen im Rahmen der →
Zveza ženskih društev na
Koroškem [Verband der Frauenvereine in Kärnten] ver-
stärkt in das politisch-propagandistische Geschehen
eingebunden.
In den Gebieten unter österreichischer Oberhoheit
fanden am 16. Februar 1919 Nationalratswahlen statt.
Sie brachten mit knapp 50 % der Kärntner Stimmen
bzw. rund 64 % der Stimmen im späteren Abstim-
mungsgebiet einen Erfolg für die sozialdemokratische
Partei, deren pro-österreichische Haltung in der Grenz-
frage von großer Bedeutung war. Südslawische Trup-
pen mussten sich bis zum 31. Juli 1919 aus der Zone
B zurückziehen, österreichische Truppen rückten nach.
Am 22. August 1919 wurde das zentrale Organ für die
Volksabstimmungspropaganda geschaffen, die Lan-
desagitationsleitung, die im März 1920 in den Kärnt-
ner Heimatdienst umgewandelt wurde (→ Deutschna-
tionale Vereine). Ein Netz von Vertrauensleuten und
Gemeindeheimaträten wurde aufgebaut. Die proöster-
reichische Agitation erfolgte durch Mundpropaganda,
Verbreitung von deutsch- und slowenischsprachigen
(auch dialektalen) Flugblättern und Publikationen wie
Kärntner Landsmannschaft ; → Koroško Korošcem etc.
Die Propaganda sprach verschiedenste Themen an :
In historischen Argumentationen berief man sich auf
die slawische Vergangenheit Kärntens und →
Karanta-
nien oder eine jahrhundertelange deutsche Geschichte
(→ Geschichtsschreibung, → Geschichtsschreibung
und kognitive Dissonanz). Wirtschaftliche Argumente
zeichneten die besseren Zukunftsaussichten im südsla-
wischen oder deutschösterreichischen Staat. Die slo-
wenische Seite betonte das nationale Argument, appel-
lierte an die Gemeinsamkeit der →
Muttersprache und
kritisierte proösterreichische → Deutschtümler. Die
deutsche Seite unterstrich die geografische, wirtschaft-
liche und historische Landeseinheit Kärntens. Die
»deutsche Kultur« wurde dem »unzivilisierten Balkan«
gegenübergestellt, die republikanische Staatsform und
fortschrittliche Sozialgesetzgebung Österreichs der
südslawischen Monarchie mit serbisch-orthodoxem
Königshaus und allgemeiner Wehrpflicht. Am 28. Sep-
tember 1920 erklärte die Kärntner Landesversamm-
lung, sie wolle den slowenischen Landsleuten ihre
sprachliche und nationale Eigenart alle Zeit wahren und ihrem geistigen und wirtschaftlichen Aufblühen
dieselbe Fürsorge angedeihen lassen wie den deutschen
Bewohnern des Landes.
Die Bestimmungen des Friedensvertrages von
Saint-Germain traten am 16. Juli 1920 in Kraft. Die
Abstimmungszonen wurden von österreichischen bzw.
SHS-Truppen geräumt, Flüchtlinge konnten nach
der Öffnung der Demarkationslinie Anfang August
zurückkehren. Die in Klagenfurt/Celovec amtierende
interalliierte Plebiszitkommission überwachte die
Durchführung der Volksabstimmung am 10. Oktober
1920 in 51 Gemeinden der Zone A. Auf Österreich
entfielen 22.025 (59,04 %) der gültigen Stimmen, auf
den SHS-Staat 15.279 (40,96 %). Somit stimmten
rund 12.000 Slowenischsprachige aus individuellen
wirtschaftlichen, politischen und anderen Überlegun-
gen für Österreich. Am 18. November 1920 kehrte die
Zone A unter österreichische Souveränität zurück.
Die österreichisch-jugoslawische Grenzfrage war
und ist ein zentrales Thema der historischen Erinne-
rung und Forschung. Lange nationalen Interpretatio-
nen verhaftet, wurden »Sieg« bzw. »Niederlage« analy-
siert und die Bedeutung des »Abwehrkampfes« bzw. des
»Kampfes um die (slowenische) Nordgrenze« diskutiert.
Die Kämpfenden wurden mit Auszeichnungen und
Denkmälern geehrt und bei → Volksabstimmungs-
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Von den Anfängen bis 1942, Volume 1: A – I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
- Subtitle
- Von den Anfängen bis 1942
- Volume
- 1: A – I
- Authors
- Katja Sturm-Schnabl
- Bojan-Ilija Schnabl
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79673-2
- Size
- 24.0 x 28.0 cm
- Pages
- 542
- Categories
- Geographie, Land und Leute
- Kunst und Kultur
Table of contents
- Geleitwort von Ana Blatnik, Präsidentin des Bundesrates (Juli – Dezember 2014) 7
- Spremna besede Ane Blatnik, predsednice državnega sveta (julij – december 2014) 8
- Geleitwort von Johannes Koder 9
- Vorwort der Herausgeberin und des Herausgebers 11
- Einleitung – slowenische Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška 15
- Alphabetische Liste der AutorenInnen/BeiträgerInnen im vorliegenden Band 38
- Verzeichnis der Siglen 40
- Verzeichnis der Abkürzungen und Benutzungshinweise 46
- Editoriale Hinweise 51
- Lemmata Band 1 A – I 55