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Hildegard von Stein
Hildegard von Stein/Liharda
Kamenska, Drobtinice 1855
Liharda, www.svetniki.org Slowene gewesen sei). Nach der Rückkehr erfuhr so
Albuin/Alboin von der bösen Kuhmagd Lupa von
der vermeintlichen Untreue. Er stürzte sich im Zorn
auf die betende H./L. und ihre Zofe Dorothea und
warf beide aus dem Fenster über dem Abgrund. Engel
hätten H./L. jedoch gerettet und sie auf ihre Burg am
Felskegel von Stein/Kamen jenseits der Drau/Drava
getragen. In Dankbarkeit für ihre wundersame Rettung
beschloss H./L. fortan auf ihrer Burg Stein/Kamen zu
leben. Albuin/Alboin, der das Wunder bzw. die we-
gen des »Meineids« – eines im mittelalterlichen Recht
schwerwiegenden Vergehens – versteinerte Magd kurz
darauf erblickte, erkannte seine Untat und bereute sie
zutiefst. Er bat um Verzeihung und darum, H./L. möge
wieder auf Burg Prosnitza/Prosnica zurückkehren.
Nach Slomšek erblindete er aufgrund der vielen ver-
gossenen Tränen. H./L. hatte ihm jedoch bereits ver-
ziehen und bat lediglich, er möge Buße tun. Erblindet,
ging er auf eine Buß- und Pilgerreise, wo er alle zentra-
len heiligen Stätten besuchte, → Aquileia (Oglej), Rom,
Santiago de Compostela und Jerusalem. Bei seiner
Rückkehr starb er im Nahen Möchling/Mohliče, wo er in der Kirche zum hl. Paul begraben ist. Bei Singer
und Till erblindet er, kurz nachdem er seinen Fehler
erkannte, durch den Lichtstrahl, der erschienen war, als
H./L. von Engeln getragen auf ihre Burg auf dem Fels-
sporn von Stein/Kamen gerettet wurde und trat danach
seine Bußreise an. Nach der Rückkehr bat er wiederholt
um Vergebung. Als H./L. Albuin/Alboin vergeben
und seine Lider sanft berührt hatte, erhielt Albuin/
Alboin das Augenlicht wieder und errichtete danach
aus Dank die Kirche in Möchling/Mohliče. H./L. aber,
die ihren Mann lange überlebte, versorgte ihre Kinder,
diente Gott und half den Armen. Albuin/Alboin,
ihr ältester Sohn, bekam 973 laut Ankershofen ge-
mäß einer historischen → Quelle die Burg Stein/Ka-
men und acht »slavenische« Huben, womit ein weiterer
Hinweis auf vielfältige rechtshistorische Inkulturations-
und Rezeptionsprozesse gegeben ist (→ Rechtsinsti-
tutionen, karantanerslowenische). Ihre Burg wurde zur
Zufluchtstätte der Armen. Unter der Burg richtete sie
ein Hospiz für Arme ein. Slomšek schreibt : Bila je us-
miljena mati Slovencev, kateri so ob krajih Drave živeli,
in tudi po svoji smerti jih pozabila nij, kajti je sporočila,
naj se vsako leto na dan njene smerti ubogim gosti naredé,
ki se na Kamenu pri božjem opravilu snidejo. [Sie war
eine barmherzige Mutter der Slowenen, die beiderseits
der Drau lebten, und sie vergaß sie auch nach ihrem
Tode nicht, da sie vorsah, dass alljährlich an ihrem To-
destage die Armen bewirtet werden sollen, die sich in
Stein zum Gottesdienst einfinden]. Slomšeks Rezep-
tion und Beurteilung der H./L. erklärt sich auch aus
der Tatsache, dass sich Stein/Kamen lange Zeit tief im
slowenischsprachigen Binnenland befand (→ Sprach-
grenze, → Lingua franca). Nach Slomšek starb sie fast
100-jährig am Tag der hl. Agatha (5. Februar) 1025,
was ihre mythologische Bedeutung unterstreicht. Eine
ihr zugeschriebene Armenstiftung ist in einer Urkunde
aus dem 18. Jh. belegt und ist nach dem Ersten Welt-
krieg erloschen. 1805 wurde ein Teil ihrer Gebeine in
Klarissenkloster nach Graz übertragen, der Rest wird
weiterhin in der im Kern romanischen Laurentius-Kir-
che in Stein/Kamen verehrt. Die letzten Reste der Burg
Stein/Kamen wurden 1780 abgetragen.
Dieser Legende entspringt der Volksbrauch des
Striezelwerfens (slow. metanje kržejev oder metanje
štrucejev) am Fuße des Felskegels der ehemaligen Burg-
meierei am ersten Sonntag im Februar nach der fei-
erlichen Messe. Die Agathenstriezel (Lihardini kruhki,
Lihardini kržeji, hlebčki oder štruceji bzw. auch Agatini
kržeji), denen nach dem Volksglauben wundersame
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Von den Anfängen bis 1942, Volume 1: A – I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
- Subtitle
- Von den Anfängen bis 1942
- Volume
- 1: A – I
- Authors
- Katja Sturm-Schnabl
- Bojan-Ilija Schnabl
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79673-2
- Size
- 24.0 x 28.0 cm
- Pages
- 542
- Categories
- Geographie, Land und Leute
- Kunst und Kultur
Table of contents
- Geleitwort von Ana Blatnik, Präsidentin des Bundesrates (Juli – Dezember 2014) 7
- Spremna besede Ane Blatnik, predsednice državnega sveta (julij – december 2014) 8
- Geleitwort von Johannes Koder 9
- Vorwort der Herausgeberin und des Herausgebers 11
- Einleitung – slowenische Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška 15
- Alphabetische Liste der AutorenInnen/BeiträgerInnen im vorliegenden Band 38
- Verzeichnis der Siglen 40
- Verzeichnis der Abkürzungen und Benutzungshinweise 46
- Editoriale Hinweise 51
- Lemmata Band 1 A – I 55