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Jansenismus
Werke : Augustinus seu doctrina S Augustini de Humanae nature sanc-
titate, aegritudine, medicina adversus Pelagianos et Massilienses, v. 1 – 3
Lovanii 1640.
Lit.: BBKL.
Katja Sturm-Schnabl
Jansenismus. Der J. war eine katholische Reform-
bewegung im 17. Jh., aufbauend auf dem Buch über
Augustinus von Cornelius → Jansen. Die histori-
sche Legitimation ist die frühchristliche Kirche und
die Gnadenlehre des hl. Augustinus. Es kommt zur
Wiederbelebung der Patristik und damit zum Interesse
an der Kirchengeschichte. Nur die Schriften der Kir-
chenväter und die ersten Konzilien wurden als echte
Quelle der christlichen Lehre anerkannt. Die Urkirche
wird zum verpflichtenden Vorbild.
Es geht um die Rückkehr zur ursprünglichen apos-
tolischen Kirche und die Überwindung der Missstände
in der amtierenden katholischen Kirche, deren Vertre-
ter, die → Jesuiten, konsequente Verfechter des streng
hierarchisch gegliederten römischen Zentralismus als
Ausdruck der Herrschaft von Kirche und Staat wurden,
die den klerikalen Pomp und ein Übermaß an Marien-
und Heiligenkulten mit dem Papst an der Spitze der
kirchlichen Hierarchie förderten. Diesen lehnten die
Jansenisten ab. Sie anerkannten den Papst lediglich als
primus inter pares. Während die Jesuiten die theologische
These vertreten, dass Heil und Verdammnis des Men-
schen vom freien Willen abhängt, dass er allerdings zur
Erlangung der Gnade Gottes die Hilfe der Kirche benö-
tige, berufen sich die Jansenisten auf die augustinische
Gnaden- und Prädestinationslehre, wonach Heil und
Verdammnis des Menschen allein von der Allmacht und
Gnade Gottes abhängen. Nach jesuitischer Ansicht gibt
es keine Vorbestimmung/Prädestination, sondern Gott
sieht den menschlichen Willensentscheid lediglich vor-
aus, während aus jansenistischer Sicht der menschliche
Willensentscheid vorbestimmt ist. Nach jansenistischer
Ansicht kann der Mensch nur durch eine sittenstrenge
Lebensführung auf Gottes Gnade hoffen. Das Lesen der
Bibeltexte wird für alle verpflichtend : Dies förderte neue
Bibelübersetzungen und das Studium des Griechischen,
wodurch auch literarische und philosophische Themen
aus der Antike Eingang in die europäische Geisteswelt
fanden (Jean Racine). Es kam zu einer großen Pro-
duktion von jansenistischen religiösen Schriften in der
Volkssprache ; die Bücher von Port Royal, dem geistigen
Zentrum der Jansenisten, waren allgemein verständ-
lich und von sprachlich hohem Rang. Zudem wurden in Port Royal vorzügliche Erziehungsmethoden einge-
führt, die ohne Zwang arbeiteten und die jesuitischen
Belohnungs- und Bestrafungsmethoden ablehnten. In
der jansenistischen Gemeinschaft wurden auch Frauen
mit hochrangigen Aufgaben betraut, so die Schwester
von Jean Blaise Pascal, Jacqueline Pascal, und Ange-
lique Arnauld (1591–1661), die Äbtissin des Klosters
Port Royal. In den J. flossen verschiedene theologische
Reformideen ein, die ihn schließlich zu einer rigoros as-
ketischen und moralischen Richtung machten, bei der
Buße, Sühne, ein streng asketisches, arbeitsames Le-
ben und eine antidogmatische und antikuriale Kirche
das Grundgerüst bildeten. So wollte Eduard Richer
(Libellus ecclesiasticus et politica potestate 1612) kirchen-
rechtlich dem niederen Klerus und den Gläubigen mehr
Bedeutung verschaffen. Zu den wesentlichen Trägern
des J., die den jansenistischen Kanon schufen, gehörten
Pasquier Quesnel (1634–1719), Antoine Arnauld
(1612–1694), Francois Philippe Mesenguy (1677–
1763), Claude Fleury (1640–1723), Jean Racine
(1639–1699) und Jean Blaise Pascal (1623–1662). Da
die Polemiken und Prozesse zwischen Jansenisten und
Jesuiten immer heftiger wurden und zu keinem Resultat
führten, bereitete Ludwig XIV. aus Besorgnis um die
Einheit des Staates dem ein Ende, indem er vom Papst
eine endgültige Bereinigung der Religionsstreitigkeiten
einforderte, was Papst Clemens XI. durch die Bullen
Vineam Domini (16. Juli 1705) und Unigenitus (8. Sep-
tember 1713) schließlich bewirkte. Der König ließ das
Kloster Port Royal schleifen und die Jansenisten gingen
zumeist nach Belgien und in die Niederlande ins Exil,
wo sie weiter wirkten. Den J. integrierte auch die katho-
lische Reformkirche in Rom, wo die späteren österrei-
chischen Bischöfe studierten. Der J. aber sollte in seiner
abgewandelten Form als → Spätjansenismus und →
Jo-
sephinismus im 18. Jh. in der Habsburgermonarchie für
die Entwicklung der slowenischen Sprache von spezi-
fischer Relevanz werden : Karl Joh. → Herberstein,
Matevž → Ravnikar, Jurij → Japelj und andere. Im
Jahre 1913 wurde eine Société des Amis de Port Royal (Ge-
sellschaft der Freunde von Port Royal) gegründet, die
jährlich wissenschaftliche Symposien zu verschiedenen
Themen, die den Jansenismus betreffen, abhält.
Werke : A. Arnauld : De la fréquente communion ou les sentiments des
Pères, des papes et des Conciles touchant l’usage des sacraments des péni-
tence, d’Eucharistie sont fidelment exposez (sic !). Paris. A. Vitré 1643 ; A.
Arnauld, C. Lancelot : Grammaire générale et raisonnée de Port Royal.
Neuauflage Genf 1993
Lit.: Catholic Encyclopedia 1913 ; R. Clausjürgens : Erkenntnis und
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Von den Anfängen bis 1942, Volume 2 : J – Pl
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
- Subtitle
- Von den Anfängen bis 1942
- Volume
- 2 : J – Pl
- Authors
- Katja Sturm-Schnabl
- Bojan-Ilija Schnabl
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79673-2
- Size
- 24.0 x 28.0 cm
- Pages
- 502
- Categories
- Geographie, Land und Leute
- Kunst und Kultur