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Karantanische Mark
Markgrafschaften marcae mit Markgrafen marchiones
und Grafen comites. Erst als die Traungauer ihre Herr-
schaft als Markgrafen der K. M. mit ihrem Sitz im
heute oberösterreichischen Steyr begannen, fängt der
Name Steiermark (lat. Stiria, slow. Štajerska) an, sich
statt K. M. mehr und mehr durchzusetzen. Steyr, älter
Styrapurk, geht zurück auf slowenisch Štira < ladinisch
Štira und letztlich keltisch stir/ster »der Fluss«. Auf der
→
Tabula Peutingeriana steht Stiriate, das literaturüb-
lich mit Liezen gleichgesetzt wird, wahrscheinlich aber
das ganze Gebiet zwischen Liezen, Gabromagus/Win-
dischgarsten, Hieflau und Steyr meint. Erster Markgraf
der K. M. war Otakar von Steyr (1056). Um 1180
wird die Steiermark/Štajerska mit östlichen Gebieten
selbstständiges Herzogtum. Erster Herzog ist Ota-
kar IV.
In der Darstellung der Geschichte und bei der Ent-
stehung der Steiermark/Štajerska wird der chronologi-
sche Abschnitt marchia Carantana aus landeskundlicher
Sicht von Kärntner und steirischen Historikern meist
wenig beachtet. Im Handbuch der historischen Stätten
beginnt die Geschichte (F. Posch) nach urgeschicht-
lichen Funden, einigen Römersteinen, Siedlungsleere
und einer »dünnen Slawenschicht« (ein penetrant häu-
figer Topos) erst »→ karolingisch« (»auf deutschem
Volksboden«). Völlig unthematisiert ist literaturüblich
das Ladinische. Die Walchenorte (→ Walchen) wer-
den als Orte germanisch/deutscher »Lodenwalker«
gedeutet, das Slowenische (= »Slawische«) wird meist
gänzlich übergangen oder zumindest deutlich dimi-
nuiert (vgl. → »Entethnisierung« und → Geschichts-
schreibung und kognitive Dissonanz).
Tatsache ist hingegen, dass viele ältere (latinisierte,
ladinisierte, slowenisierte) Namen überliefert sind, was
beim damaligen Fehlen von Ortstafeln »Siedlungs-
leere« ausschließt und stattdessen →
Zweisprachigkeit
voraussetzt. Alle Namen größerer Flüsse sind »vor-
römisch/vorlateinisch« : Mur (Mura), Enns (Aniža),
Sulm (Solva), Raab (Raba), Lafnitz (< Albantia), Pöls.
Archäologische Fundleere entspricht nicht automatisch
einer »Siedlungsleere«. Es gibt zahlreiche slowenische
→
Orts-, →
Berg- und → Gewässernamen (→ Topo-
nyme, karantanisch-slowenische in der Steiermark). An
Mur und Mürz wurde von 800 bis 1100 der →
Slo-
wenenzehent eingehoben. Im Seckauer → Verbrüde-
rungsbuch sind um 1160 fast die Hälfte der Namen
der Arbeiter und Arbeiterinnen (auch viele Frauen sind
erwähnt) in den Radwerken zur Erzverarbeitung an der
Liubina/Leoben (am Vordernberger Bach, → Seckau) slowenisch. Um Radkersburg/Radgona wurde bis ins
20. Jh. slowenisch gesprochen. Das alles widerspricht
dem Mythos der literaturüblichen »dünnen« slawischen
Besiedlung der K. M. bzw. der Steiermark/Štajerska
(vgl. auch → Steirische Slowenen).
Eine noch nicht geklärte dynastische Rolle spielt
der Name Otakar/Ottokar und seine Etymologie. Er
wurde berühmt durch die steyrischen/steirischen Ota-
kare (Otakar de Styra), die Markgrafen der K. M. und
Grafen des Traungaus. Der Traungau/pagus Truni ist
die westlichste Region, wo »Slawen« in Oberöster-
reich erwähnt sind (in St. Florian, Kronstorf, Dietach,
Sierning, Schlierbach, Windischgarsten). In der Grün-
dungsurkunde (777) des Stiftes → Kremsmünster sind
erstmals ein župan und zwei actores namentlich genannt
(→ Personennamen). Offenbar handelt es sich um
hochgestellte Personen der dortigen decania sclavorum,
die sich mit den Baiern um Tassilo partnerschaft-
lich familiarisierten und als Otakare zu (eingeheirate-
ten) Traungauern wurden. Die ersten Personen dieses
Namens stammen aus der nach der Styrapurk/Steyr
benannten Steiermark/Štajerska bzw. aus Karantanien.
Ein slowenischer dux (→ Duces Carantanorum) hieß
nach der um 870 verfassten Salzburger → Conversio
Etgar, was nicht, wie literaturüblich behauptet, ein an-
gelsächsischer Name, sondern eine andere Form von
Odgar/Otakar ist : vermutlich identisch mit dem in einer
Steininschrift in der Kirche von → St. Peter am Bichl/
Šentpeter na Gori in Kärnten/Koroška genannten Ot-
ker Radoslav. Ebenfalls in der Conversio ist eine von
→
Salzburg errichtete Kirche und Pfarre in der Sclavi-
nia namens Otachareschirichun erwähnt. Im Salzburger
→
Verbrüderungsbuch ist ein Aotachar eingetragen. Be-
rühmt wurde der Name erst durch Franz Grillpar-
zers »König Ottokars Glück und Ende«. Literaturüb-
lich werden die steirischen Otakare mit dem Chiemgau,
aus dem sie ursprünglich stammen sollen, in Verbin-
dung gebracht. Es gibt am Chiemsee die Ortschaft
Otterkring (zwischen Prien und Rimsting) und den an-
geblich von dort übertragenen Namen des 16. Wiener
Gemeindebezirks Ottakring. Jedoch dürfte es sich dabei
um spätere Benennungen, nicht um »bairische Besied-
lung« aus dem 8.
Jh. handeln. Die Herkunft von Grafen
comites dieses Namens aus dem Chiemgau ist unwahr-
scheinlich, zumindest aber quellenmäßig unbelegt. Der
Name ist jedenfalls weder romanisch, noch germanisch.
Seine Häufigkeit ist auf den Traungau/Steyr, die K. M.
und die Steiermark/Štajerska fokusiert, also auf slowe-
nischsprachiges Gebiet. Man beachte auch noch den
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Von den Anfängen bis 1942, Volume 2 : J – Pl
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
- Subtitle
- Von den Anfängen bis 1942
- Volume
- 2 : J – Pl
- Authors
- Katja Sturm-Schnabl
- Bojan-Ilija Schnabl
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79673-2
- Size
- 24.0 x 28.0 cm
- Pages
- 502
- Categories
- Geographie, Land und Leute
- Kunst und Kultur