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Kulturvereine, slowenische in Kärnten/Koroška
das in den Statuten als Vereinsziel anführt : »… die Bil-
dung und umfassende Ausbildung in unserem Ort zu
verbreiten, sich in der Sprache zu üben, singen zu ler-
nen, sich anständig die Zeit zu vertreiben, und das alles
ausschließlich auf slowenischer ethnischer Grundlage«.
In Finkenstein/Bekštanj entstand die Slovenska družba
[Slowenische Gesellschaft]. Obwohl die Statuten for-
mell jede Politik ausschlossen, war die Mitgliedschaft
nicht apolitisch und es wurde über Politik geredet. Das
politische Klima lockerte sich mit der → Dezember-
verfassung 1867, die die Versammlungs- und Vereins-
freiheit garantierten. Die Gunst der Stunde nutzten die
→
mladoslovenci [Jungslowenen], die Vertreter des li-
beralen Lagers, die das Programm eines Vereinten Slo-
weniens (Zedinjena Slovenija) in den Vordergrund ihrer
Tätigkeit stellten. Einen früheren Beginn der Tabor-
Bewegung verhinderte die Obrigkeit, doch hielten die
Slowenen in Kärnten/Koroška drei Tabor-Versamm-
lungen ab und zahlreiche kleinere Treffen mutierten zu
Tabor-Versammlungen. Am 27. Dezember 1869 war der
Verein → Trdnjava [Festung] gegründet worden, des-
sen Ziel die »Verbreitung der politischen Bildung unter
den Kärntner Slowenen« war, die »Förderung der Frei-
heit im Staat« und der Vorsatz »zur Verwirklichung der
Gleichberechtigung beizutragen«. Zu diesem Zwecke
wurden Tabor-Versammlungen abgehalten, deren Red-
ner das Programm des Vereinten Slowenien vertraten.
Sie sprachen über die Notwendigkeit einer wirtschaftli-
chen Selbstständigkeit der Slowenen und forderten die
Verwirklichung der Gleichberechtigung im schulischen
Bereich bis hin zur Gründung einer slowenischen
Universität ein. Die Tabor-Veranstaltungen wurden
mit einem kulturellen Programm abgerundet. Parallel
zu den Tabor-Veranstaltungen und der Gründung der
Trdnjava verliefen die Bemühungen von Andrej Ein-
spieler, der sich für eine slowenisch-deutsche Zu-
sammenarbeit aussprach und 1869 die Gründung eines
Katholisch-konstitutionellen Vereins (Katoliško konsti-
tucionalno društvo) in Klagenfurt/Celovec initiierte. Mit
einem dichten Netzwerk katholischer Verfassungsver-
eine auf dem Lande im slowenischen Landesteil, die
slowenischen Statuten hatten, die man also als sloweni-
sche Vereine qualifizieren kann, gelang es Einspieler
mit der Zeit, die Trdnjava der Aktion des katholischen
Konservativismus unterzuordnen. Die Ortsvereine wa-
ren teilweise sehr aktiv, teilweise lösten sie sich rasch
wieder auf. Sie verteidigten konsequent die Interessen
der Kirche und die angeblich angegriffene Institution
des Papstes. Entsprechende Resolutionen entstanden in der Klagenfurter Zentrale. In einigen slowenischen
Orten prägten diese Vereine die ersten Formen des slo-
wenischen Kultur- und Bildungswerkes. Es wurden der
Chorgesang gepflegt und kurze Laienstücke aufgeführt,
die vor allem einen belehrenden oder moralischen In-
halt hatten. In der zweiten Hälfte der 70er-Jahre des
19. Jh.s beendeten alle ihre Tätigkeit und die Behörden
strichen sie schrittweise aus dem Vereinsregister. 1876
teilte Matija Majar-Ziljski der Vereinsbehörde auch
die Auflösung der Trdnjava mit.
Aufseiten der deutschsprachigen Bevölkerung kann
von solch einer Stagnation des Vereinslebens nicht ge-
sprochen werden. Nach dem Wahlsieg des deutschli-
beralen Lagers 1873 kam die Tätigkeit der sog. demo-
kratischen Vereine ins Stocken, doch übernahmen die
verschiedenen Gesangsvereine einen Teil deren Aktivi-
täten und ab den 80er-Jahren des 19. Jh.s die Ortsver-
eine der deutschnationalen »Abwehr«-Vereine, Deut-
scher Schulverein und Südmark (→ Deutschnationale
Vereine). Es kommt auch zur Gründung von Zweigstel-
len des Deutschen Alpenvereins sowie von zahlreichen
Feuerwehren. Die »Vereine der Demokraten« mussten
sich in ihrem Wirken nach den realen Sprachverhält-
nissen in Kärnten/Koroška richten. Im slowenisch-
sprachigen Gebiet konnten sie ohne den Gebrauch
des Slowenischen nicht auskommen. Teilweise hatten
sie zweisprachige Statuten. Bei der deutschsprachigen
Bevölkerung kommt es zu einer politischen Differen-
zierung im Bereich der Vereinsaktivitäten. In immer
größerem Maße kam es zur Gründung von Arbeiter-
vereinen, die zwar nach außen die Internationalität ih-
res Wirkens betonten, doch mit ihren konsequent ein-
sprachig deutschen Statuten und Publikationen ihren
deutsch-liberalen Konkurrenten folgten.
Einen gewissen Einschnitt bedeutete die Gründung
der Zeitschrift Mir von Andrej Einspieler 1882.
Nach langen Jahren hatten die Slowenen in Kärnten/
Koroška wieder eine slowenische Zeitschrift zur Verfü-
gung, die ihre Ansichten über die nationale Bewegung
zum Ausdruck brachte und eine Plattform für das po-
litische Wirken und die Agitation ebenso wie für das
organisierte Kulturleben bot.
Die Anregung für die Gründung von Vereinen kam in
jenen Jahren aus → Ljubljana, wo 1885 die → Družba
sv. Cirila in Metoda [Kyrill und Method-Verein] ge-
gründet worden war. Der Verein befasste sich vor-
nehmlich mit Schulfragen, doch waren vor allem seine
Kärntner Zweigvereine auch im Kulturbereich aktiv.
Bis zum Ersten Weltkrieg wurden in Kärnten/Koroška
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Von den Anfängen bis 1942, Volume 2 : J – Pl
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
- Subtitle
- Von den Anfängen bis 1942
- Volume
- 2 : J – Pl
- Authors
- Katja Sturm-Schnabl
- Bojan-Ilija Schnabl
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79673-2
- Size
- 24.0 x 28.0 cm
- Pages
- 502
- Categories
- Geographie, Land und Leute
- Kunst und Kultur