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Landessprache
[…].« Dies wiederum bestätigt den Status des Sloweni-
schen als Amts- und somit als Landessprache.
Das im Rahmen des Europarates erarbeitete Rah-
menübereinkommen zum Schutz nationaler Minderhei-
ten aus dem Jahr 1995, in Österreich in Kraft getreten
am 1. Juli 1998, erweitert den Schutz nationaler/eth-
nischer Minderheiten auf internationaler Ebene und
legt spezifische individuelle und kollektive Rechte fest.
Art. 1 : »Der Schutz nationaler Minderheiten und der
Rechte und Freiheiten von Angehörigen dieser Min-
derheiten ist Bestandteil des internationalen Schutzes
der Menschenrechte und stellt als solcher einen Be-
reich internationaler Zusammenarbeit dar.« Art. 2 be-
sagt : »Dieses Rahmenübereinkommen ist nach Treu
und Glauben, im Geist der Verständigung und Tole-
ranz und in Übereinstimmung mit den Grundsätzen
guter Nachbarschaft, freundschaftlicher Beziehungen
und der Zusammenarbeit zwischen den Staaten anzu-
wenden.« Insgesamt ist das Rahmenübereinkommen
ein völkerrechtlicher Maßstab für die Umsetzung der
Rechte ethnischer Minderheiten in den Konventions-
staaten, so auch in Österreich.
Die 2000 in Kraft getretene verfassungsrechtliche
Staatszielbestimmung zur Achtung, Sicherung und
Förderung der Volksgruppen in Artikel 8 Abs. 2 B-VG
(BGBl. 68/2000) stellt einen qualitativen Entwick-
lungssprung in der verfassungsrechtlichen Konzeption
der Materie sowie der → Terminologie dar, da nunmehr
nicht mehr von →
Minderheiten, sondern von autoch-
thonen Volksgruppen die Rede ist (wie es bereits im
Volksgruppengesetz 1976 zum Ausdruck kommt). Art.
8 Abs. 2 B-VG lautet : »Die Republik (Bund, Länder
und Gemeinden) bekennt sich zu ihrer gewachsenen
sprachlichen und kulturellen Vielfalt, die in den auto-
chthonen Volksgruppen zum Ausdruck kommt. Spra-
che und Kultur, Bestand und Erhaltung dieser Volks-
gruppen sind zu achten, zu sichern und zu fördern.«
Trotz verschiedener, vom humanistischen Stand-
punkt positiver und integrativer gesamtstaatlicher ver-
fassungsrechtlicher Bestimmungen wurde aufgrund
der ethnopolitischen Verhältnisse auf Kärntner Lan-
desebene jedoch nach der Periode 1849–1859 bzw. seit
1867 (!) kein politischer Konsens bzw. keine Mehrheit
für eine landesverfassungsrechtlich klare positive Rege-
lung erreicht, so dass bis heute die Kärntner Landesver-
fassung (K-LVG) in der geltenden Fassung »nur« eine
Negativformulierung zum Slowenischen aufweist.
So heißt es in Art. 5 K-LVG : »Die deutsche Sprache
ist die Sprache der Gesetzgebung und – unbeschadet der der Minderheit bundesgesetzlich eingeräumten
Rechte – die Sprache der Vollziehung des Landes
Kärnten.« Das Wort Slowenen oder slowenische Volks-
gruppe kommt im gesamten Wortlaut der Landesver-
fassung kein einziges Mal vor, verwendet wird jedoch
der veraltete (und soziolinguistisch belastete) Begriff
der Minderheit. Die Verwendung des Namens der
Volksgruppe, der deren nationale und kulturelle Identi-
tät zum Ausdruck bringen würde, wird, wie oben zitiert,
sogar vermieden, da im Kontext zumindest eine Wort-
folge wie »unbeschadet der von der slowenischen [Min-
derheit] Volksgruppe …« zu erwarten wäre (→ Name
und Identität ; → »Entethnisierung« ; → Geschichts-
schreibung und kognitive Dissonanzen). Aus psycho-
linguistischer Sicht wird so der sog. ›Minderheit‹ nicht
einmal das Recht auf Identität und Würde zuerkannt,
sie existiert schlichtweg nicht. Eine Würdigung der
historischen, zivilisatorischen und menschlichen Bei-
träge der Slowenen in Kärnten/Koroška durch ihre
gesamte Geschichte hindurch bis hin zur Wieder-
errichtung der Republik Österreich nach 1945 (oder
zumindest die Anerkennung ihres Bestehens) kommt
in keiner Weise mangels einer positiven Verfassungs-
(ziel-)bestimmung im Rahmen der bestehenden ver-
fassungsrechtlichen Kompetenzverteilung und unter
Einhaltung derselben zum Ausdruck (Volksgruppen-
recht ist Bundessache). Die Verfassungsbestimmung
aus Art. 5 K-LVG ist in jeder Hinsicht restriktiver als
die bundesverfassungsrechtliche Grundlage in Art. 8
Abs. 2 BVG. Hingegen hat beispielsweise eine aus-
führliche Verfassungszielbestimmung zum Schutz und
zur Pflege der Umwelt in Art. 7a K-LVG sehr wohl in
die Landesverfassung Eingang gefunden. Angesichts
der gesellschaftlichen Realität der vom Verfassungs-
gerichtshof wiederholt festgestellten verfassungsrecht-
lich unhaltbaren und völkerrechtswidrigen Missstände
sowie angesichts der Tatsache, dass in der Regel ver-
fassungsrechtlich zugesicherte Grundrechte jeweils in-
dividuell durch das außerordentliche Rechtsmittel der
Anrufung des Verfassungsgerichtshofs erstritten wer-
den müssen – was in der Systematik ein tiefes Problem
des Verständnisses des Rechtsstaats aufwirft –, stellt
sich die verfassungsrechtliche Frage, ob die derartige
Negation des Slowenischen in der Landesverfassung
eine verfassungsrechtlich anfechtbare Diskriminierung
darstellt. Denn gleichzeitig indizieren die allgemeine
Rechtsentwicklung (wie sie in Art. 7a K-LVG andeu-
tet ist), die Verfassungszielbestimmung in Art. 8 Abs. 2
B-VG sowie ein zeitgemäßer europäischer zivilisatori-
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Von den Anfängen bis 1942, Volume 2 : J – Pl
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
- Subtitle
- Von den Anfängen bis 1942
- Volume
- 2 : J – Pl
- Authors
- Katja Sturm-Schnabl
- Bojan-Ilija Schnabl
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79673-2
- Size
- 24.0 x 28.0 cm
- Pages
- 502
- Categories
- Geographie, Land und Leute
- Kunst und Kultur