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Lied
L. ist mit → Lessiak und → Kranzmayer einer der
bekannteren Kärntner Germanisten, die in Deutschland
»groß« geworden sind. 1890 wurde er in den obersten
Schulrat des Königreichs Bayern berufen. Er wird Mit-
arbeiter des Deutschen Wörterbuchs der Brüder Grimm.
L.s Lebenswerk ist das Mittelhochdeutsche Handwörter-
buch, das 1878 in drei Bänden veröffentlicht wurde, 1879
als Mittelhochdeutsches Taschenwörterbuch. Bis 1966 sind
davon 32 (unveränderte) Auflagen erschienen.
Das Mittelhochdeutsche Taschenwörterbuch wird noch
heute von Germanisten als Standardbuch für das »Mit-
telhochdeutsche« verwendet und zitiert, obwohl es den
Wissensstand von 1878 darstellt. Umstritten ist heute
der unklare Begriff und das →
Glottonym mittelhoch-
deutsch. Es geht aus dem Wörterbuch nicht hervor, wel-
che Quellen (Texte) L. verwendet hat. Es sind wohl
Texte der Dichtkunst zwischen dem 11. und 15. Jh.,
nicht auch der nicht dichterischen Gebrauchsliteratur.
Erkenntnishemmend aus der Sicht der Slawisten und
Romanisten sind die spärlich verwendeten Glottonyme
slawisch statt slowenisch und lateinisch bzw. mittellatei-
nisch statt ladinisch. Dieser Forschungsstand ist heute
noch weitgehend in der Germanistik literaturüblich.
Ebenso literaturüblich ist, dass Wörter, die im »Lexer«
vorkommen, per se »deutsch« bzw. »germanisch« sind,
sodass die Existenz des Slowenischen und Ladinischen
diminuiert oder vernachlässigt wird, was aus der ganz
ungewöhnlichen Zahl von unveränderten Nachdrucken
hervorgeht (→ »Entethnisierung«, → Geschichts-
schreibung). Der Großteil der sog. »mittelhochdeut-
schen« Literatur stammt aus dem süddeutschen bzw.
(zwei- und mehrsprachigen) bairischen Raum, wo im
Mittelalter slowenische und ladinische Dialekte ge-
sprochen wurden. Viel »Mittelhochdeutsches« ist da-
her nach heutigem Verständnis einfach Ladinisch oder
Slowenisch (→ Altladinisch, →
Walchen, →
Windisch,
→
Minnesänger, → Ostarrichi).
Werke : Kärtnisches Wörterbuch. Erlangen 1860 (Diss.) ; Mittelhoch-
deutsches Taschenwörterbuch. Würzburg 1879 (32. Auflage, Stuttgart
1966).
Lit.: H. Brunner (Hg.) : Matthias von Lexer : Beiträge zu Leben und
Werk. Stuttgart 1993. In : Zeitschrift für Dialektologie und Linguistik,
Beiheft 80.
Otto Kronsteiner
Lexikografie, →
Grammatik, → Terminologie.
L’hoste, Nikolaus (* 22. Oktober 1891 Niederlinxwei-
ler, Kreis St. Wendel, Preußen), Priester der Diözese Gurk, KZ-Häftling. War laut Tropper seit 26. März
1939 bis zur Flucht im Mai 1945 wegen Jugendseel-
sorge in KZ-Haft. Laut Fried wurde der »Pfarrer in
Mörtschach im Mölltal […] am 26. März 1939 ver-
haftet und kam in die Lager von Dachau (9. Septem-
ber 1939), Flossenbürg (27. September 1939), Gusen
(16. August 1940) und Dachau (18. Dezember 1940).
Hier blieb er bis zum Zusammenbruch.« Siehe → Ver-
folgung slowenischer Priester ab 1938 in Kärnten/
Koroška.
Vgl. Lit.: J. Fried : Nationalsozialismus und katholische Kirche in Ös-
terreich. Wien 1947, 130 ; P. G. Tropper : Kärntner Priester im Kon-
zentrationslager. In : M. Liebmann, H. Paarhammer, A. Rinnerthaler
(Hg.) : Staat und Kirche in der »Ostmark«. Frankfurt am Main [e. a.]
1998 (mit weiterführender Literatur), 411–449 (Priesterschicksale :
414–416).
Lied, slow. pesem (homonym zu slow. pesem = Gedicht).
Unter dem Oberbegriff Lied wird im Deutschen das
→ Volkslied, → Kunstlied und → Kirchenlied ver-
standen. Im Deutsch-windischen Wörterbuch von Os-
wald → Gutsmann, gedruckt in Klagenfurt/Celovec
im Jahre 1789, bedeutet das slowenische Wort pesem
einerseits Lied (S. 175, 532), zugleich aber auch Ge-
sang (S. 114). Weitere Bezeichnungen für Lied sind
peuka (175), peukica (176), zugleich Sängerin (242) oder
Singerin (533) oder popeuka (175), wobei Letzteres
zugleich Singstück (283) und popievati (283) singen
bedeutet. Derjenige, der das Lied erfindet, ist der Rei-
mer (230) oder Poet (218). Der Reimer (pesmoznavec,
230) ersinnt Lieder auf gleiche Reime (na enaki spad
popeuke zmišluvati, 230, spadek bzw. zložik = Reim). Es
kommt vor, dass im Lied der Ton (viža) bzw. die Me-
lodie dreimal abgeändert wird (324) oder dass man das
Lied aufschreibt, d. h. in Singnoten versetzt (na note
oder na kote spraviti, razrediti, 283). Es gibt Begriffe für
Singnoten (peuna mera, 283), Gesangsbücher (114, 175)
sowie die Singkunst (peuna vmetalnost, znanost, 283)
oder Tonkunst (glasaviednost, glasina znanost, 324). Im
Slowenischen in Kärnten/Koroška bedeutete das An-
singen (Koleda) damals zugleich ein Freudenlied singen
(koleduvam, 511), und der Chor der Sänger schlechthin
ist der Ansingechor (koledva, 511). Aus diesen sprachli-
chen Merkmalen ist auf den Liedgebrauch im damali-
gen → Südkärnten/Južna Koroška zu schließen, indem
die Annahme aus anderen Quellen bestätigt wird, dass
eine Lied- und Gesangskultur im späteren oder heu-
tigen Sinn der Gattung Kunstlied damals noch nicht
bestand, dass aber der Kirchengesang, z. B. auf der Sän-
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Von den Anfängen bis 1942, Volume 2 : J – Pl
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
- Subtitle
- Von den Anfängen bis 1942
- Volume
- 2 : J – Pl
- Authors
- Katja Sturm-Schnabl
- Bojan-Ilija Schnabl
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79673-2
- Size
- 24.0 x 28.0 cm
- Pages
- 502
- Categories
- Geographie, Land und Leute
- Kunst und Kultur