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Ogris, Josef
Maresch-Besitzungen in Niederösterreich gelangte,
von wo er mit drei vertriebenen Kollegen noch vor
Kriegsende über Salzburg nach Kärnten/Koroška auf-
brach, um der Mobilisierung für den »Volkssturm« ge-
gen die Rote Armee zu entgehen. Sein Haus war noch
in den Händen eines fremden Besitzers, der erst nach
dem endgültigen Zusammenbruch des Dritten Reichs
verjagt werden konnte.
Bereits als Ministrant trug O. seine ersten Ersparnisse
in die 1910 gegründete örtliche Genossenschaftsbank,
wodurch sein Sparbuch die Nummer 6 erhielt. Am wei-
teren Ausbau des slowenischen → Genossenschaftswe-
sens war er ab 1932 an führender Stelle beteiligt, weil
eine gedeihliche Entwicklung in seinem Interesse als
Kaufmann und Gastwirt lag. Im selben Jahr erwarb er
durch Tausch die Liegenschaft vulgo Miklavž, die er
vorbildlich führte. 1921 wurde er zum Vorsitzenden des
Katoliško slovensko izobraževalno društvo → Bilka [Bil-
dungsverein Bilka/Halm] gewählt. Sein Engagement
verband stets kulturelle und wirtschaftliche Anliegen
mit den nationalen, die für ihn im Vordergrund standen.
Der → »Anschluss« 1938 bedeutete einen schweren
Einbruch im slowenischen Genossenschaftswesen, das
enteignet wurde, indem es in deutsche Hände übertra-
gen wurde. Schwierig und nicht ohne Widerstände der
zuständigen Stellen gestaltete sich nach dem Krieg die
Erneuerung der Spar- und Darlehenskassen der Kärnt-
ner Slowenen wie auch des → Vereinswesens. O. stand
diesbezüglich wiederum in den vordersten Reihen und
half ab der ersten Stunde am Wiederaufbau aktiv mit.
Er sorgte vor allem für eine geglückte Auswahl der
Funktionäre. Nach 20 Jahren schied er aus der direkten
Verantwortung aus.
Die politische Tätigkeit von O. begann in der Zwi-
schenkriegszeit mit der Wahl in den Vorstand des
zentralen politischen Vereins der Kärntner Slowenen
am 1. März 1923. Volle 18 Jahre bekleidete er parallel
dazu die Funktion des Gemeindesekretärs, acht Jahre
hindurch war er Vizebürgermeister als Kandidat der
→ Koroška slovenska stranka [Kärntner slowenische
Partei], die ihn 1930 für die Landtagswahl an dritter
Stelle nominierte. Als der Pfarrer Janez → Starc auf-
grund des Beschlusses der Österreichischen Bischofs-
konferenz betreffend das Ausscheiden der Priester aus
politischen Ämtern auf sein Mandat verzichten musste,
rückte O. im Dezember 1933 nach (→ Abgeordnete).
Im Folgejahr endete aber bereits am 3. Oktober nicht
nur die Legislaturperiode, sondern auch die Zeit des
frei gewählten Landesparlaments. In den Ständischen Landtag wurden die beiden Volksgruppenvertreter aus
staatspolitischen Gründen nicht nominiert. Außer ei-
nigen Interpellationen und vor allem dem Protest beim
Bundeskanzleramt am 15. März 1934 wegen der dis-
kriminierenden Vorgänge im Zusammenhang mit der
Volkszählung war die Zeit zu kurz, um effektive Maß-
nahmen im Sinne des Minderheitenschutzes zu setzen.
Die Naziherrschaft unterbrach dann alle demokrati-
schen Aktivitäten und führte nach dem Überfall des
Deutschen Reichs auf → Jugoslawien im April 1941 zu
zahlreichen Verhaftungen slowenischer Funktionäre,
ein Jahr später sogar zur Deportation ganzer Familien.
Nach dem Zweiten Weltkrieg konzentrierte sich O.
in erster Linie auf die kulturelle und genossenschaftli-
che Tätigkeit in seiner Heimatgemeinde. Vom 25. No-
vember 1951 bis 27. September 1956 war er als einer
der beiden Spitzenkandidaten der Kmečka gospodarska
zveza [Bäuerlicher Wirtschaftsverband] auch Mitglied
der Kärntner Landwirtschaftskammer. Er bedauerte es
sehr, dass die Forderung nach einer Landwirtschafts-
schule mit slowenischer Unterrichtssprache keine Un-
terstützung fand.
Als Autor verfasste O. viele Beiträge zur Geschichte
von Ludmannsdorf/Bilčovs, insbesondere über die
Arbeit des Kulturvereins, sowie Überlegungen über
die Folgen der Veränderung der Dorfstruktur für die
Volksgruppe. Er hielt auch Reden und Vorträge, so im
September 1964 im Rahmen des Studienseminars des
Wiener Studentenklubs in Föderlach/Podravlje über
das slowenische Vereinswesen, wobei er sich die Über-
windung ideologischer Schranken wünschte. Nicht zu-
letzt ist noch seine handgeschriebene und leider unvoll-
endete Autobiografie zu erwähnen.
O. war ein allseitig gebildeter, polyglotter und be-
scheidener Mann aus der slowenischen Volksgruppe
in Kärnten/Koroška, der auch sein gesamter beruflicher,
politischer und privater Einsatz gegolten hatte.
Quellen : Janko Ogris : Moj življenjepis (Meine Biographie), o.O. und
o.J.
Lit.: OVSBL. – H. Weiss : Janko Ogris (1898–1981). In : KK 1983,
144 ff.; A. Malle (Hg.) : Janko Ogris. Življenje in delo. 31. 10. 1898–8.
12. 1981. Celovec 2001 ; J. Stergar : Ogris, Janko. In : S. Karner (Hg.) :
Kärnten und die nationale Frage = S. Karner, A. Moritsch (Hg.) : Aus-
siedlung – Verschleppung – nationaler Kampf, Band 1. Klagenfurt/Ce-
lovec [e. a.] 2005, 310.
Feliks J. Bister
Ogris, Josef (* 1908 Dornach/Trnje), NS-Opfer,
→ Zeugen Jehovas.
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Von den Anfängen bis 1942, Volume 2 : J – Pl
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
- Subtitle
- Von den Anfängen bis 1942
- Volume
- 2 : J – Pl
- Authors
- Katja Sturm-Schnabl
- Bojan-Ilija Schnabl
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79673-2
- Size
- 24.0 x 28.0 cm
- Pages
- 502
- Categories
- Geographie, Land und Leute
- Kunst und Kultur