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Protestantismus
sucht, um dem Wormser Edikt Geltung zu verschaffen,
die lutherische Lehre und dessen Schriften zu vernich-
ten.
Das Jahr 1526 bedeutet auch ein Eckdatum der
Kärntner Reformationsgeschichte, denn in diesem Jahr
übertrug Siegmund von Dietrichstein, der Patro-
natsinhaber der Villacher Stadtpfarrkirche St. Jakob/
Šentjakob, dieses Patronat auf die Bürgerschaft der
Stadt → Villach/Beljak, und zwar im Vertrauen darauf,
dass wie bisher auch weiterhin das Wort Gottes »klar,
lauter, ohne alle menschliche Zusätze« verkündigt werde.
Dietrichstein war zu diesem Zeitpunkt bereits
Anhänger der Wittenberger Reformation, er konnte
das Patronat der Stadt überlassen, weil diese schon im
Jahr zuvor durch die Berufung eines reformatorischen
Geistlichen gezeigt hatte, auf welcher Seite sie stand.
Dieser Vorgang wurde vom Kirchenhistoriker Karl
Eder als der »erste Fall der offiziellen Umwandlung
einer katholischen Stadtpfarre in eine evangelische in
der österreichischen Reformationsgeschichte« bezeich-
net. Er erfolgte nota bene unter wohlwollender Be-
teiligung des bambergischen Vizedoms, denn Villach/
Beljak gehörte zum Hochstift → Bamberg. Dass die-
ser daran keinen Anstand nahm und diesen Vorgang
ebenso besiegelte wie der Stadtpfarrer, hat beiden den
Ruf eingetragen, Parteigänger der Reformation zu sein.
Im darauffolgenden Jahr wurde Georg Krainer als
Pfarrer nach → Maria Gail/Marija na Zilji berufen,
der 1517 gleichsam Augenzeuge des Thesenanschlags
in Wittenberg gewesen war und bei Martin Luther
und Philipp Melanchthon studiert hatte. So stand
auch Kärnten/Koroška mitten drin in dem durch Wit-
tenberg in Gang gesetzten Reformprozess, der durch
die zeitgenössischen Medien, die Flugschriften, rasch
Verbreitung fand und zwischen Zentrum und Peri-
pherie einen signifikanten »Kommunikationsprozess«
herstellte. Luthers Lehren von der gnadenweise
geschenkten Rechtfertigung allein aus Glauben (sola
gratia, sola fide) und der damit verbundenen »Außer-
kraftsetzung der Leistungsfrömmigkeit«, weiters vom
allgemeinen Priestertum, sein Rekurs auf die Bibel (sola
scriptura) – das alles stieß auch in Kärnten/Koroška von
allem Anfang an auf große Resonanz beim Adel und
Bürgertum. Das Lied der »Wittenbergisch Nachtigall«
wurde »zum Marschlied für sämtliche Schichten der
Bevölkerung« (Fräss-Ehrfeld).
Von besonderer Bedeutung für den Fortgang der Re-
formation war die politische Unterstützung durch die
Landstände, die sich auch in → Innerösterreich auf die Seite der »Neugläubigen« schlugen und ihre Patronats-
und Vogteirechte zugunsten reformatorischer Prediger
einsetzten. Der verfassungspolitische Gegensatz zwi-
schen Landesherrn und Landständen wurde konfes-
sionell überhöht. Am Beispiel der Herrschaft Rosegg/
Rožek kann gezeigt werden, dass sich die Vogteiinhaber,
die Familie Perkheim, nicht nur für reformatorische
Prediger einsetzten, sondern auch für »die lettanay in
windischer sprach«. Das Testament der Brüder Perk-
heim aus dem Jahre 1543 belegt den Gebrauch der slo-
wenischen Sprache bei religiösen Andachten schon in
der Frühzeit der Reformation (Domej).
Die Reformation machte in Kärnten/Koroška rasche
Fortschritte, auch wenn die Habsburger in Verbin-
dung mit Bayern und → Salzburg wirksame Gegen-
strategien zu entwickeln begannen. Diese fruchteten
nichts, wie sich bei den Visitationen zeigte. Mit dem
mittelalterlichen Ketzerstrafrecht war der Reformation
nicht mehr beizukommen. Es entstand ein Nebenei-
nander der in die Defensive gedrängten »Altgläubi-
gen« mit den »Neugläubigen«, die sich seit 1530 auf
die von Philipp Melanchthon verfasste Confessio
Augustana, Augsburgisches Bekenntnis, bezogen und
deshalb augsburgische Konfessionsverwandte genannt
wurden. Neben diesen fand in der zweiten Hälfte der
1520er-Jahre auch der später sogenannte »linke Flügel«
der Reformation in Kärnten/Koroška Verbreitung, die
Täuferbewegung, die einen kompromisslosen Weg der
Nachfolge Christi propagierte, die »Glaubenstaufe«
Erwachsener praktizierte, Eid und Militärdienst ver-
weigerte und sich von der »Welt« absonderte. Unter
der slowenischen Bevölkerung fand sie keinen An-
klang – im Unterschied zu den Stiftern und Springern,
die hingegen als Ausdruck einer spezifischen katholi-
schen Volksfrömmigkeit galten und wegen ihrer Nei-
gung zum Okkultismus von den Protestanten, insbe-
sondere Primož →
Trubar, heftig bekämpft wurden
(Till, Leeb). Als Exponent der Täufer verdient der
Pustertaler Handwerker Jakob Huter erwähnt zu
werden, der vermutlich in Spittal an der Drau (Špital
ob Dravi) getauft wurde und bis zu seiner Verhaftung
und Hinrichtung 1536 eine Gemeinde der »Hutterer«
in Südmähren leitete. Der Augsburger Religionsfrie-
den von 1555 bedeutete zwar die reichsrechtliche An-
erkennung der Confessio Augustana, doch widersetzten
sich die österreichischen Landesherren einer Freigabe
dieses Bekenntnisses und hielten am Bekenntnisbann
(ius reformandi : cuius regio eius religio) zugunsten der
überkommenen Confessio Catholica fest, auch wenn sie
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Von den Anfängen bis 1942, Volume 3 : PO - Ž
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
- Subtitle
- Von den Anfängen bis 1942
- Volume
- 3 : PO - Ž
- Authors
- Katja Sturm-Schnabl
- Bojan-Ilija Schnabl
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79673-2
- Size
- 24.0 x 28.0 cm
- Pages
- 566
- Categories
- Geographie, Land und Leute
- Kunst und Kultur
Table of contents
- Lemmata Band 3 Po–Ž 1049
- Verzeichnis aller AutorInnen/BeiträgerInnen und ihrer jeweiligen Lemmata 1571
- Verzeichnis aller ÜbersetzerInnen und die von ihnen übersetzten Lemmata 1577
- Verzeichnis der BeiträgerInnen von Bildmaterial 1579
- Verzeichnis der Abbildungen 1580
- Synopsis (deutsch/English/slovensko) 1599
- Biographien der Herausgeber 1602