Page - 1080 - in Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška - Von den Anfängen bis 1942, Volume 3 : PO - Ž
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Protestantismus
ihre konfessionspolitische Option nicht umzusetzen
vermochten. Sie waren angesichts der permanenten os-
manischen Bedrohung vielmehr gezwungen, den pro-
testantischen Ständen als politisches Gegengeschäft für
die Steuerbewilligung Religionsprivilegien zu erteilen :
in Innerösterreich die Religionspazifikation von 1572,
die dem Adel die freie Religionsausübung zusicherte,
die 1578 mündlich auf Bürger und Städte, darunter
Klagenfurt/Celovec, ausgedehnt wurde und eine ge-
wisse Legalisierung des reformatorischen Kirchenwe-
sens bedeutete. Sie war freilich äußerst vage, weil für
den privilegierenden Landesherrn von vornherein fest-
stand, dass gegenüber Häretikern Zusicherungen nicht
einzuhalten sind (Haereticis non esse servandam fidem).
Zu einem Zentrum des Protestantismus in Kärnten/
Koroška hatte sich in der zweiten Hälfte des 16. Jh.s
die vom Landesherrn den Ständen überantwortete
Stadt Klagenfurt/Celovec entwickelt, die ursprüng-
lich kirchenrechtlich von →
Maria Saal/Gospa Sveta
abhängig war und durch einen Messpriester versorgt
wurde. Von den Landständen wurden das Kirchen- und
→ Schulwesen systematisch ausgebaut, das → Colle-
gium sapientiae et pietatis errichtet, schließlich als erste
protestantische Kirche die Dreifaltigkeitskirche erbaut :
Burg, Landhaus und Kirche galten als Symbol der land-
ständischen Macht. Für Gottesdienste in slowenischer
Sprache diente die Heiliggeistkirche, in der ein eigener
»Prädikant der windischen Sprache« amtierte, der zu-
nächst in dienstlicher Abhängigkeit vom Stadtpfarrer
stand, aber sich nach heftigen Konflikten verselbststän-
digen konnte. An der eigenständigen Matrikenführung
ist zudem zu ersehen, wie umfangreich die slowenisch-
sprachige Bevölkerung der Stadt war (Domej). Am 25.
April 1570 richtete der Klagenfurter Prediger Martin
Khnorr gemeinsam mit seinen Amtsbrüdern Johann
Hauser aus Villach/Beljak und Johann →
Faschang
aus Tultschnig/Čajnče sowie dem Advokaten der
Landschaft Johann Krauss einen Brief an den Su-
perintendenten Nicolaus Gallus in Regensburg, der
mit Kärnten/Koroška in enger Verbindung stand und
das »Christliche einfeltige bekendtnus der Euangeli-
schen Prediger in Kerndten« von 1566 verfasst hatte :
»Sonnderlichen erscheint bei vns der mangl das vill
windisch Volckh in disen Lannden vnd wenig Christ-
liche Euangelische Predicanten sein, die die sprachen
souil, das sie Predigen möchten, khünnen (…) Hie, da
man gern prediget, fällen vns Leut so zu dem minis-
terio tauglich vnd der windischen sprachen verstendig
sein (…)« Sie schickten mit diesem Brief den Lehrer Antonius → Leban nach Regensburg, wo dieser durch
Gallus zum geistlichen Amt ordiniert werden sollte
(Böhl, 364).
Nicolaus Gallus war ein Schüler des streitbaren lu-
therischen Theologen Mathias Flacius Illyricus/Ma-
tija Vlačić aus Istrien, der nach dem Tod Luthers
1546 die kompromissbereite Theologie Philipp Me-
lanchthons bekämpfte (Erbsündenstreit) und von
Magdeburg aus die Fahne der Gnesiolutheraner und
des orthodoxen Luthertums hochgehalten hatte. In-
folge dieses theologischen Streites zwischen Philippis-
ten und Flacianer wurden Letztere aus Mitteldeutsch-
land vertrieben, viele fanden über Regensburg den Weg
nach Österreich, insbesondere nach Kärnten/Koroška,
wo sie den Streit auf der Kanzel in Villach/Beljak und
Klagenfurt/Celovec fortsetzten, sodass sie 1575 auch
hier das Feld räumen mussten.
Gefördert wurde der Protestantismus slowenischer
Zunge durch die Stück für Stück erfolgte Bibelüber-
setzung Primož Trubars. Der slowenische Reformator,
der 1547 aus Ljubljana fliehen musste und sich nach
Nürnberg bzw. Rothenburg ob der Tauber und später
nach Kempten verfügte, verfasste 1550 das erste Buch
in slowenischer Sprache. Bezeichnenderweise erfolgte
die Literalisierung der slowenischen Sprache durch
einen Katechismus (Catechismus in der Windischenn
sprach). Im Exil im württembergischen Urach richtete
der frühere innerösterreichische Landeshauptmann
Hans → Ungnad von Sonneck eine »Bibelanstalt«
mit Druckerei ein und übertrug deren Leitung Tru-
bar. Er verfolgte damit das Ziel, die Reformation im
Herzogtum → Krain/Kranjska und im angrenzenden
Kroatien zu fördern, ja »zu Befürderung der Ehren Got-
tes unnd der armen unwissenden gottlosen Menschen der
Winden, Crabaten und Türckhen Bekherung«. Es war ein
missionarisches Anliegen, unter den südslawischen
Völkern am Balkan und sogar den Türken eine refor-
matorische Kirche zu sammeln und solcherart die mi-
litärische Lage zu stabilisieren. Ab 1555 war Trubars
Übersetzung des Neuen Testaments sukzessive erschie-
nen ; vollendet wurde die Bibelübersetzung von dessen
Schüler Jurij → Dalmatin (Wittenberg 1584), der
damit den Höhepunkt der protestantischen Literatur
des 16. Jh.s erreichte. Die Auflage umfasste 2.000 Ex-
emplare, von denen 300 Stück unter der slowenischen
Bevölkerung in Kärnten/Koroška verteilt wurden. Die
Kärntner Landstände hatten fast ein Drittel der Ge-
samtkosten getragen (→ Windische Ideologie). Dane-
ben kursierten neben dem Katechismus Martin Lu-
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Von den Anfängen bis 1942, Volume 3 : PO - Ž
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
- Subtitle
- Von den Anfängen bis 1942
- Volume
- 3 : PO - Ž
- Authors
- Katja Sturm-Schnabl
- Bojan-Ilija Schnabl
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79673-2
- Size
- 24.0 x 28.0 cm
- Pages
- 566
- Categories
- Geographie, Land und Leute
- Kunst und Kultur
Table of contents
- Lemmata Band 3 Po–Ž 1049
- Verzeichnis aller AutorInnen/BeiträgerInnen und ihrer jeweiligen Lemmata 1571
- Verzeichnis aller ÜbersetzerInnen und die von ihnen übersetzten Lemmata 1577
- Verzeichnis der BeiträgerInnen von Bildmaterial 1579
- Verzeichnis der Abbildungen 1580
- Synopsis (deutsch/English/slovensko) 1599
- Biographien der Herausgeber 1602