Page - 1273 - in Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška - Von den Anfängen bis 1942, Volume 3 : PO - Ž
Image of the Page - 1273 -
Text of the Page - 1273 -
1273
Sprachgeschichte, slowenische
Sprachgattungen. Für die Funktionen und den alltäg-
lichen Gebrauch von Sprachen gibt es viele Benennun-
gen. Ein grundlegender Unterschied ist der Gebrauch
als Sprechsprache oder, im Gegensatz zum → Dialekt
(nur Sprechsprache), als Schriftsprache. Die Schriftspra-
che (dt. Synonym auch Hochsprache/Hochdeutsch) ist
standardisierbar und standardisiert (→ Standardspra-
che). Es gibt einen monozentralen Typ (Russisch, Fran-
zösisch, Italienisch) und einen polyzentralen (Englisch,
Deutsch). Slowenisch gehört dem monozentralen Typ
an. In der Regel schreibt man in der Standardsprache,
daher auch das Synonym Literatursprache oder funk-
tional abgrenzend Wissenschaftssprache, Fachsprache
(→ Terminologie). Hinsichtlich der hoheitlichen Ver-
wendung spricht man von Staatssprache, bei Minder-
heitenstatus auch von → Landessprache oder Regional-
sprache. Hinsichtlich der hoheitlichen Verwendung in
den staatlichen Institutionen spricht man von → Amts-
sprache, Verwaltungssprache, Hofsprache (→
Adelsspra-
che), Heeressprache (Kommandosprache), Schulsprache
(→ Schulwesen) sowie von Kirchen- bzw. → Liturgie-
sprache (im kirchlichen Bereich, Gottesdienst, Sakra-
mente, Beichte). Anerkennt man eine Sprachgemein-
schaft, ungeachtet von Staatsgrenzen, spricht man von
Sprachnation und → Nationalsprache.
Als Sprachbekenntnis bei → Sprachenzählung
in mehrsprachigen Gebieten werden Begriffe wie
→
Muttersprache, Familiensprache oder bisweilen die
sprachpolitisch motivierte → Umgangssprache (in der
Monarchie) oder Alltagssprache verwendet. Die Um-
gangssprache reicht je nach Gesprächspartner oder
Anlass von der Familiensprache (meist ein → Dialekt,
Synonym Mundart) bis zu überregionalen Varietäten
eines größeren Gebiets und der Standardsprache. Die
Standardsprache wird schriftlich und bei besonderen
Anlässen mündlich verwendet. In dieser Form meist
(unbewusst) mit regionalsprachlichem Einschlag (Di-
alekt) oder durch einen →
Soziolekt geprägt.
Ein weiterer, gelegentlich verwendeter Terminus ist
Volkssprache, nämlich die Schnittmenge aller sprachli-
chen Möglichkeiten. Für die deutschsprachigen Kärnt-
ner : das Strahlungsfeld der regionalen Dialekte und des
süddeutschen Standards österreichischer Prägung. Für
die zusätzlich zum Deutschen slowenischsprachigen
Kärntner : das Strahlungsfeld der slowenischen Stan-
dardsprache und der verschiedenen kärntnersloweni-
schen Dialekte (→ Dialektgruppen). Es gibt eigentlich
ungeachtet der wissenschaftlichen Kategorisierun-
gen keinen kärntnerslowenischen Dialekt. Wer weder Standard-Slowenisch noch einen traditionellen Dialekt
spricht, verwendet diese Mischung aus Standard-Slo-
wenisch und verschiedenen Dialekten : eine Art kärnt-
nerslowenische Volkssprache (Koiné). Beachtenswert ist
die für Slowenen tabuisierend gebrauchte Bezeichnung
die Zweisprachigen im Gegensatz zum allfälligen (nicht
verwendeten) die Einsprachigen für die nur deutschspra-
chigen Kärntner (→ Gemischtsprachig ; → Zweispra-
chigkeit ; → Zweisprachigkeitsideologie, Kärntner).
In zweisprachigen Gebieten mit Zugehörigkeit
zu zwei verschiedenen Nationalsprachen (Standard-
sprachen) spielt die Verwendung (→ Relevanz und
Redundanz von Sprachen) und das Bildungsangebot
(→ Schulwesen) eine entscheidende Rolle. Zur qua-
litativen Ausbildung in beiden Sprachen ist daher ein
pädagogisch und soziolinguistisch gleichwertiges An-
gebot für Slowenisch und Deutsch notwendig. Das ist
weder materiell noch fachlich verwirklicht.
Während Deutsch in allen Lebensbereichen und
Sprach-/Sprechsituationen möglich ist, wird Slowenisch
als Minderheitensprache reduziert auf das gesellschaftli-
che Leben in einem offiziell (restriktiv) festgelegten Ter-
ritorium und dort in rechtlich relevanten Aspekten in
unterschiedlichem Grad gehandhabt : im zweisprachigen
Grundschulwesen (gemeinsam/getrennt), in der Kirche
und in beschränktem Maß im hoheitlichen Bereich. Die
Zweisprachigkeit der Region scheint teilweise auf in
öffentlichen und privaten Aufschriften »topografischer
Natur«. Die Beherrschung von zwei Sprachen ist in der
zweisprachigen Region für den alltäglichen Umgang für
die Angehörigen der →
»Minderheit« notwendig, im
Hinblick auf die anderssprachige (Mehrheits-)Bevöl-
kerung und die Bevölkerung außerhalb dieser Region,
eines Landes oder Staates, kulturell durchaus wertvoll.
Das ist für den Spracherhalt jedoch nicht ausreichend,
weshalb sich die Verfechter der kulturellen und sprach-
lichen Vielfalt für eine Erhöhung der gesellschaftlichen
Sichtbarkeit und Relevanz der Minderheitensprache all-
gemein einsetzen (→ Amtssprache).
Lit.: S. Hafner, E. Prunč (Hg.) : Die slowenische Volkssprache in Kärn-
ten. Wien 1982 ff. (ÖAW) ; O. Kronsteiner : Die Slowenen – das
zweisprachig(st)e Volk Europas. In : Die Slawischen Sprachen 27 (1991)
165–198 ; Th. Veiter : Verfassungsrechtslage und Rechtswirklichkeit der
Volksgruppen und Sprachminderheiten in Österreich 1918–1938. Wien
1980 ; H. Goebl : Dialektometrie. Prinzipien und Methoden des Einsatzes
der Numerischen Taxonomie im Bereich der Dialektgeographie. Wien 1982.
Otto Kronsteiner
Sprachgeschichte, slowenische, → Standardsprache.
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Von den Anfängen bis 1942, Volume 3 : PO - Ž
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
- Subtitle
- Von den Anfängen bis 1942
- Volume
- 3 : PO - Ž
- Authors
- Katja Sturm-Schnabl
- Bojan-Ilija Schnabl
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79673-2
- Size
- 24.0 x 28.0 cm
- Pages
- 566
- Categories
- Geographie, Land und Leute
- Kunst und Kultur
Table of contents
- Lemmata Band 3 Po–Ž 1049
- Verzeichnis aller AutorInnen/BeiträgerInnen und ihrer jeweiligen Lemmata 1571
- Verzeichnis aller ÜbersetzerInnen und die von ihnen übersetzten Lemmata 1577
- Verzeichnis der BeiträgerInnen von Bildmaterial 1579
- Verzeichnis der Abbildungen 1580
- Synopsis (deutsch/English/slovensko) 1599
- Biographien der Herausgeber 1602