Page - 1282 - in Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška - Von den Anfängen bis 1942, Volume 3 : PO - Ž
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Sprachwechsel
Srce, Vereinslogo
Sprachwechsel ist ein persönlicher, sozial beding-
ter Vorgang im Verlauf eines Lebens oder von einer
Generation zur anderen (Großeltern > Eltern > Kin-
der) (→ Akkulturation). Er setzt immer Zwei- oder
Mehrsprachigkeit voraus. Bei → Zweisprachigkeit hat
vielfach eine Sprache ein höheres soziales Prestige und
somit eine höhere subjektive → Relevanz. In National-
staaten und Diktaturen kann eine Sprache zur alleinigen
Staatssprache (→ Sprachgattungen) verordnet werden.
Im Imperium Romanum wurde man nicht gezwungen,
lateinisch zu sprechen. Latein gehörte aber zum »guten
Ton«. Daher war »Sprachpolitik« : Latein ist die einzige
Kultursprache, die man auch schreiben kann. Alles an-
dere sind barbarische Dialekte linguae barbaricae, die
jeder sprechen kann, wann und mit wem er will. Für das
persönliche Fortkommen in der Gesellschaft, im Staat,
in der Armee ist es unerlässlich, Latein zu können : zu
sprechen, zu schreiben und zu lesen.
Vor dem Entstehen von Nationalstaaten war Zwei-
und Mehrsprachigkeit »normal« (→ Lingua franca).
In der österreichisch-ungarischen Monarchie war
seit 1849 jedem der 10 → »Volksstämme« das Recht
verbrieft, die eigene Sprache zu verwenden (→ Okt-
royierte Märzverfassung 1849, → Landesverfassung
1849, → Reichsgesetzblatt, → Dezemberverfassung
1867). Seit in einsprachigen Nationalstaaten neben der
Staatssprache Minoritätssprachen gesetzlich anerkannt
sind, werden sie auch legistisch »geschützt« (→ »Min-
derheit«). Dennoch müssen Minoritäten zur Sicherung
des eigenen Fortkommens im Gesamtstaat, im Gegen-
satz zu den Sprechern der Staatssprache (Mehrheits-
sprache), zweisprachig sein. Das ist ein intellektueller
Vorteil und sozialer Nachteil. Slowenisch ist in Kärn-
ten/Koroška zweite →
Landessprache ohne optimale
Rechte, für die es europäische Standards gäbe, und wird
in den Landesverfassungen nach 1849 nicht mehr mit
Namen bzw. in einer positiven Formulierung erwähnt
(→ Name und Identität).
Am Beispiel Kärntens zeigte sich innerhalb von
zwei Generationen oft das gleiche Bild : Die Großel-
tern sprachen nur slowenisch, die Eltern slowenisch und
deutsch, die Kinder, weil sie sich nicht von den anderen
Schulfreunden unterscheiden wollten, deutsch. Der S.
ging bzw. geht vielfach quer durch die Familien. Das
Ergebnis ist eine kulturelle und statistische → Germa-
nisierung (→
Assimilation). Ebenso geschieht es meist
bei unterschiedlicher Sprachzugehörigkeit der Eltern :
Vater deutschsprachig – Mutter slowenischsprachig. Man-
che (motivierte) Kinder werden/bleiben zweisprachig, manche »entscheiden« sich für nur eine Sprache. Oft
gerät das Slowenische gefühlsmäßig in den Verdacht
einer nicht gleichwertigen, bäuerlichen und »uncoo-
len« Sprache (→ Mischsprache). Dies wird in zwei-
sprachigen Gebieten durch den Druck der fast nur
deutschssprachigen Medien verstärkt. Die Bewahrung
und Pflege des Slowenischen wird zu einem Agendum
für Menschenrechtsaktivisten, wie das für treue Lieb-
haber eines Dialekts gegenüber der Standardsprache
vergleichbar ist. In Deutschland wäre dies wie Bairisch
(Dialekt) gegenüber Deutsch (Hochdeutsch), wie Süd-
deutsch gegenüber Norddeutsch. Oder die Bewahrung
wird in neuerer Zeit zu einem politischen Programm.
In der Vergangenheit wiederholten sich die Situati-
onen für S. immer wieder : Latein hatte gegenüber dem
einheimischen Keltisch das höhere Prestige ; Aleman-
nisch gegenüber dem Ladinischen ; Bairisch gegenüber
dem Slowenischen, Deutsch gegenüber dem Bairischen,
Englisch gegenüber dem Deutschen (oft auch erkenn-
bar in der Mode der →
Personennamen). Der einzige
Schutz vor S. zur Majoritätssprache ist die gesellschaft-
liche Zweisprachigkeit mit gesichertem Anwendungs-
bereich (Behörde, Schule, Kirche). Da jede Sprache
auch ihre eigene geografische → Terminologie hat, ist
die →
Zweinamigkeit ein elementar kultureller Wert
und in öffentlichen Aufschriften zu dokumentieren.
Lit.: H. Goebl : Glottonymie, Glottotomie und Schizoglottie. Drei sprach-
politisch bedeutsame Begriffe. In : Die Slawischen Sprachen 14 (1988)
23–66 ; O. Kronsteiner : Die Slowenen – das zweisprachig(st)e Volk
Europas. In : Die Slawischen Sprachen 27 (1991) 165–198 ; H. Goebl :
Geschichte lernen und aus Geschichte lernen. Die altösterreichische Spra-
chenvielfalt und Sprachenpolitik als Modellfall für ein Europa von heute
und morgen. In : Die Slawischen Sprachen 39 (1994) 5–42 ; O. Kron-
steiner : Ljubljana das »frühere« Laibach. Von Exonymen und Endony-
men. In : Nichts als Namen. Ljubljana 2003, 14–21.
Otto Kronsteiner
Srce. Slovensko katoliško izobraževalno društvo
za Dobrlo vas in okolico [Slowenischer katholischer
Bildungsverein für Eberndorf und Umgebung], ge-
gründet am 25. März 1906 in Eberndorf/Dobrla vas
auf Betreiben des Gründers der Posojilnica [Darle-
henskasse] und → Bürgermeisters Janez Šumah sowie
des Kaplans Ivan Kogelnik. Vorgängerorganisation
des Slovensko prosvetno društvo »Srce« [Slowenischer
Kulturverein »Srce«] (→ Kulturvereine, → Genossen-
schaftswesen).
Zum ersten Vorsitzenden des Slovensko katoliško izo-
braževalno društvo za Dobrlo vas in okolico wurde Jožef
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Von den Anfängen bis 1942, Volume 3 : PO - Ž
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
- Subtitle
- Von den Anfängen bis 1942
- Volume
- 3 : PO - Ž
- Authors
- Katja Sturm-Schnabl
- Bojan-Ilija Schnabl
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79673-2
- Size
- 24.0 x 28.0 cm
- Pages
- 566
- Categories
- Geographie, Land und Leute
- Kunst und Kultur
Table of contents
- Lemmata Band 3 Po–Ž 1049
- Verzeichnis aller AutorInnen/BeiträgerInnen und ihrer jeweiligen Lemmata 1571
- Verzeichnis aller ÜbersetzerInnen und die von ihnen übersetzten Lemmata 1577
- Verzeichnis der BeiträgerInnen von Bildmaterial 1579
- Verzeichnis der Abbildungen 1580
- Synopsis (deutsch/English/slovensko) 1599
- Biographien der Herausgeber 1602