Page - 1298 - in Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška - Von den Anfängen bis 1942, Volume 3 : PO - Ž
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Steirische Slowenen – Slowenen in der österreichischen Steiermark in der Ersten Republik
Inschrift in Bad Radgersburg/
Radgona
im heutigen Velka gelang, blieben die fünf Dörfer und
Leutschach/Lučane bei Seckau. Es gab jedoch bis in
die 70er-Jahre des 20. Jh.s Seelsorger mit Slowenisch-
Kenntnissen. In der sog. Frauenkirche in Radkersburg/
Radgona gab es bis zum ersten Weltkrieg noch slowe-
nische Gottesdienste.
Neben den kirchlichen Vereinen waren in der Um-
gebung der zweisprachigen Gebiete im 19. Jh. antikle-
rikale, deutschnationale Bauernvereine aktiv und auch
Ortsgruppen des Südmarkvereins (→ Deutschnatio-
nale Vereine). Dies führte am Beginn des 20. Jh.s zur
politischen Mobilisierung der zweisprachigen Bevöl-
kerung in deutschnationale Richtung, was sich auch in
den Volkszählungen auswirkte. Die Bereitschaft, die
slowenische Umgangssprache anzugeben, sank in al-
len zweisprachigen Gebieten der Steiermark/Štajerska
dramatisch.
Sprache. Der im Radkersburger Winkel/Rad-
gonski kot gesprochene Dialekt wurde sprachwissen-
schaftlich von Zinka Zorko untersucht, die darüber
1989 einen Aufsatz veröffentlichte. Der slowenische
Dialekt, der noch heute in diesen Dörfern gesprochen
wird, gehört zum nordsteirischen und pannonischen
Sprachgebiet innerhalb des Slowenischen. Während
das Vokalsystem und die Betonung dem Prekmur-
jer Dialekt entsprechen (Übermurgebiet), stehen das
Konsonantensystem und die Morphologie dem Di-
alekt der Slovenske gorice (Windische Bühel) nahe.
Auch die Lexik weist eine Reihe von Besonderhei-
ten auf. Hinzu kommt noch, dass die meisten der
Bewohner der fünf Dörfer nicht in der Lage waren
und sind, slowenisch zu lesen. Die sprachliche Basis
hat sich durch Zuwanderer aus dem Prekmurje verän-
dert. Heute mischen sich zwei Dialekte : jener aus dem
Prekmurje und der Dialekt der östlichen slowenischen
Steiermark (štajersko). Die Bewohner sagen von sich
auch, dass sie steirisch sprechen.
Allen drei Gebieten gemeinsam sind das deutsch-
sprachige Zentrum (Radkersburg/Radgona, Leut-
schach/Lučane, Soboth/Sobota) und die slowenisch-
sprachige Peripherie. Allen drei gemeinsam war auch
das soziale Gefälle zwischen der Peripherie, in der vor
allem Bauern und Keuschler lebten, und der »Stadt«
mit ihrem Bürgertum. Darüber hinaus sind dieselben
durch ihre Abgeschlossenheit voneinander charakteri-
siert, denn es gibt so gut wie keine Verweise auf das je-
weils andere Gebiet. Vor allem ist es jedoch die Einstel-
lung zur slowenischen Sprache : Man ist bestrebt, nicht
nach außen dringen zu lassen, dass man zweisprachig ist (→ Assimilationszwang). Dies ist das Ergebnis ein-
deutiger historischer Erfahrungen der Bewohner dieser
Regionen im 19. Jh. und nach dem Ersten Weltkrieg.
Minderheitenrechtliche Stellung. Bis zum Ers-
ten Weltkrieg waren die → »Volksstämme« Öster-
reichs durch das Staatsgrundgesetz gruppenrechtlich
geschützt (→ Dezemberverfassung 1867). Der Frie-
densvertrag von Saint-Germain verpflichtete Öster-
reich aber auch zum Minderheitenschutz im Sinn ei-
ner Nichtdiskriminierung einer →
»Minderheit« nach
Rasse, Religion oder Sprache. Für die Garantie dieses
Rechts war der Völkerbund zuständig, der dafür das sog.
Minderheitenschutzverfahren (ein Petitionsverfahren)
entwickelte, das bis 1938 galt. Der Völkerbund ver-
stand sich eher als übergeordnete Institution der Kon-
fliktregulierung denn als Schutzinstanz und wehrte die
meisten Petitionen ab, wenn die Gefahr von zwischen-
staatlichen Problemen wahrscheinlich erschien. Diese
Rechtsstellung führte dazu, dass es zu sehr wenigen Be-
schwerden kam und international der Eindruck erweckt
wurde, beispielhaft zu sein. Die österreichische Regie-
rung trachtete jedenfalls danach, sich mit dieser Frage
nicht zu belasten. So hieß es in den Instruktionen der
steirischen Friedensdelegation : Am besten wäre es, von
der Frage der nationalen Minderheiten im eigentlichen
Sinn nicht zu sprechen. Für die Slowenischsprachigen
in der Steiermark war der unzureichende Minderhei-
tenschutz irrelevant, weil es niemanden gab, der sich
als Minderheit artikuliert hätte. Die intellektuelle Elite,
die sie hervorbrachten, bestand bis auf wenige Ausnah-
men aus Priestern, die in anderen Orten wirkten. Die
Bauernschaft als solche brachte für solche Fragen kein
Verständnis auf. Davon abgesehen war das steirische
Landesbewusstsein lange Zeit noch deutsch-orientiert.
Die betroffenen Menschen wollten in den allermeisten
Fällen keine offizielle Anerkennung als »Minderheit«,
weil das für sie einer Bloßstellung gleichkäme. Diese
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Von den Anfängen bis 1942, Volume 3 : PO - Ž
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
- Subtitle
- Von den Anfängen bis 1942
- Volume
- 3 : PO - Ž
- Authors
- Katja Sturm-Schnabl
- Bojan-Ilija Schnabl
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79673-2
- Size
- 24.0 x 28.0 cm
- Pages
- 566
- Categories
- Geographie, Land und Leute
- Kunst und Kultur
Table of contents
- Lemmata Band 3 Po–Ž 1049
- Verzeichnis aller AutorInnen/BeiträgerInnen und ihrer jeweiligen Lemmata 1571
- Verzeichnis aller ÜbersetzerInnen und die von ihnen übersetzten Lemmata 1577
- Verzeichnis der BeiträgerInnen von Bildmaterial 1579
- Verzeichnis der Abbildungen 1580
- Synopsis (deutsch/English/slovensko) 1599
- Biographien der Herausgeber 1602