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Vertrag von Saint-Germain
Vertrag von Saint-Germain. Der am 10. September
1919 im Pariser Vorort Saint-Germain-en-Laye unter-
zeichnete völkerrechtliche Staatsvertrag mit Österreich,
der Staatsvertrag von Saint-Germain-en-Laye, regelte
nach dem Ende des Ersten Weltkrieges die Auflösung
der Habsburgermonarchie und die Bedingungen für die
Errichtung der Republik Österreich (gleichzeitig wur-
den mehrere weitere Verträge, so etwa zu Reparations-
zahlungen, unterzeichnet). Der Friedensvertrag trat am
16. Juli 1920 formell in Kraft und besiegelte die Ent-
stehung der Ersten Republik. Der Vertrag von Saint-
Germain wurde zwischen Österreich unter Kanzler Dr.
Karl Renner, den fünf Mächten der Entente und 12
alliierten Staaten geschlossen. Zu den Signaturmäch-
ten zählten neben Österreich und den Siegermächten
der Entente Frankreich, dem Vereinigten Königreich
Großbritannien und Italien, die USA und Japan als as-
soziierte Hauptmächte und die verbündeten, alliierten
Mächte, darunter auch das Königreich SHS (→ Jugos-
lawien ; Ivan → Žolger), sowie die übrigen Nachfolge-
staaten der Monarchie (Rumänien, Tschechoslowakei),
aber auch weitere Staaten wie Belgien, China, Kuba,
Griechenland, Nicaragua, Panama, Portugal und Siam.
Das österreichische Parlament ratifizierte den Ver-
trag am 17. Oktober 1919 (»unter feierlichem Protest
vor aller Welt«). Der Vertrag umfasste u. a. Bestimmun-
gen über die spezifischen Rechte der Minderheiten in
Österreich und in den Nachfolgestaaten Tschechoslo-
wakei, SHS-Staat und Rumänien, während mit Ungarn
am 4. Juni 1920 der Vertrag von Trianon geschlossen
wurde. Da die jugoslawische und rumänische Regie-
rung aufgrund dieser Minderheiten-Bestimmungen
unzufrieden waren, traten deren Regierungen zurück.
Erst nach zusätzlichen Erklärungen und dem Druck
des Vorsitzenden der Friedenskonferenz Georges Cle-
menceau traten am 5. bzw. 9. Dezember 1919 auch
das Königreich SHS und Rumänien bei. Zuvor waren
auch die Bemühungen von Kanzler Renner, die ju-
goslawisch-österreichische Grenze in einem bilateralen
Vertrag zu regeln, gescheitert. Da in der provisorischen
SHS-Volksvertretung eine Ratifizierung des Frie-
densvertrags von Saint-Germain (ebenso wenig wie
des Versailler Vertrages mit Deutschland) auf ordent-
lichem Wege unmöglich erschien, erließ der Regent
Alexander ein vorläufiges Gesetz mit der Veröffentli-
chung im Amtsblatt am 16. Juni 1920. Das Parlament
bestätigte die Unterzeichnung des Vertrages mit einer
neuerlichen Abstimmung am 28. September 1920. Die
Ratifizierungsurkunden der wichtigsten Signatarstaa- ten wurden am 16. Juli 1920 ausgetauscht, womit der
Vertrag in Kraft trat und somit auch die Bestimmung
über die dreimonatige Frist der Durchführung der
→ Volksabstimmung in Kärnten/Koroška. Der Senat
der USA verweigerte die Ratifizierung des Vertrages
mit den darin enthaltenen Statuten des Völkerbundes,
weshalb die USA am 24. August 1921 einen separaten
Friedensvertrag schlossen.
Der Vertrag regelte die österreichische Mitglied-
schaft in den neu geschaffenen internationalen Orga-
nisationen Völkerbund und Internationale Arbeitsor-
ganisation, die Grenze der neuen Republik Österreich
(einschließlich des Anschlussverbots an Deutschland
und des Verbots des Namens »Deutschösterreich«), die
politischen und wirtschaftlichen Beziehungen mit den
Nachbarstaaten und den Nachfolgestaaten der Habs-
burgermonarchie, die Verpflichtung Österreichs, Repa-
rationszahlungen zu leisten, und die Verantwortlichkeit
für Kriegsverbrechen, das Verbot einer allgemeinen
Wehrpflicht und die Begrenzung der Rüstung sowie ei-
nes Berufsheeres auf eine Stärke von 30.000 Mann, die
Transportrechte über österreichisches Territorium, die
Einrichtung demokratischer und sozialer Rechte usw.
Die territorialen Bestimmungen des Vertrags von
Saint-Germain sahen unter anderem vor, dass Öster-
reich das damals noch weitgehend slowenische Un-
tere → Gailtal/Spodnja Ziljska dolina und → Villach/
Beljak behalten solle, Italien hingegen neben Südtirol
auch das → Val Canale/Kanaltal/Kanalska dolina und
die ehemals Krainer Gemeinde Bela Peč (Weißenfels/
Fusine in Valromana) sowie u. a. das ehemalige Kron-
land Litorale/Küstenland/Primorska mit → Trieste/
Trst/Triest und Teile Dalmatiens und damit verbunden
große slowenische (und kroatische) Bevölkerungsteile
zugesprochen wurden, worüber ein eigener Friedens-
vertrag (der Vertrag von Rapallo vom 12. November
1920) geschlossen werden sollte. Dem Königreich SHS
wiederum wurde die → Mežiška dolina (Mießtal) und
die Gemeinde Jezersko (Seeland) zugesprochen sowie
der südliche Teil des ehemaligen Kronlandes Steier-
mark/Štajerska mit den Städten → Maribor, → Celje
und Ptuj. Von der bestehenden Demarkationslinie wich
die neue Grenze insofern ab, als Radkersburg/Radgona
(am rechten Ufer der Mur bei Radkersburg) Österreich
und das Apaško polje (Abstaller Feld) Jugoslawien zu-
gesprochen wurden. Auch die übrigen Gebiete der im
Reichsrat vertretenen Königreiche und Länder (Cis-
leithanien) wurden den unterschiedlichen Nachfolge-
staaten zugesprochen.
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Von den Anfängen bis 1942, Volume 3 : PO - Ž
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
- Subtitle
- Von den Anfängen bis 1942
- Volume
- 3 : PO - Ž
- Authors
- Katja Sturm-Schnabl
- Bojan-Ilija Schnabl
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79673-2
- Size
- 24.0 x 28.0 cm
- Pages
- 566
- Categories
- Geographie, Land und Leute
- Kunst und Kultur
Table of contents
- Lemmata Band 3 Po–Ž 1049
- Verzeichnis aller AutorInnen/BeiträgerInnen und ihrer jeweiligen Lemmata 1571
- Verzeichnis aller ÜbersetzerInnen und die von ihnen übersetzten Lemmata 1577
- Verzeichnis der BeiträgerInnen von Bildmaterial 1579
- Verzeichnis der Abbildungen 1580
- Synopsis (deutsch/English/slovensko) 1599
- Biographien der Herausgeber 1602