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Vertrag von Saint-Germain
Artikel 49 und 50 des Vertrags sahen eine → Volks-
abstimmung in einem Teil →
Südkärntens/Južna
Koroška über dessen staatliche Zugehörigkeit vor,
wobei zwei → Abstimmungszonen vorgesehen wa-
ren. Die südlichere Zone A mit dem → Rosental/Rož
einschließlich der → Sattnitz/Gure bis zum Wörther-
see/Vrbsko jezero und dem → Jauntal/Podjuna mit
→ Völkermarkt/Velikovec entsprach weitgehend dem
als »slowenisch« betrachteten Wahlbezirk, aus dem im-
mer auch slowenische → Abgeordnete hervorgegangen
waren (→ Wahlordnungen). Die nördlichere Zone B
mit Klagenfurt/Celovec und Moosburger Hügelland/
Blatogradsko gričevje, in der durchaus auch Slowenen
lebten, kam erst nach einer Mehrheit für Jugoslawien in
der Zone A in Betracht (→ Ossiacher Tauern/Osojske
Ture und Moosburger Hügelland/Blatogradsko gričevje
→ Grenzfrage, → Pfarrkarte der Diözese Gurk/Krška
škofija 1924, →
Sprachgrenze). Die durch die Wasser-
läufe Sattnitz/Jezernica, Glan/Glina und Gurk/Krka
gezeichnete Zonengrenze teilte das → Klagenfurter
Feld/Celovško polje in zwei Teile. Das Ergebnis wurde
durch »Stimmenmehrheit in einer jeden Zone als Gan-
zes genommen bestimmt«.
Mit dem Ausgang der Volksabstimmung am 10.
Oktober 1920 fiel das gesamte Abstimmungsgebiet
an Österreich. Die internationale Kommission für die
Regelung der jugoslawisch-österreichischen Grenze
(der Grenzregelungsausschuss nach Art. 29 in Verbin-
dung mit Art. 48 des Friedensvertrages) wurde am 28.
Juli 1920 in Paris konstituiert und traf am 12. August
1920 erstmals in → Maribor zusammen. Am 12. Fe-
bruar 1921 konnte der Ausschuss mit seiner Arbeit
auch im Kärntner Sektor beginnen. Die Regierung
des Königreiches SHS forderte angesichts des pro-
jugoslawischen Ausgangs der Volksabstimmung in den
Gemeinden südlich der Drau/Drava am 26. März 1921
von der Friedenskonferenz, die Grenze an der Drau/
Drava zu ziehen, doch blieb dies ohne Folgen. Die
Grenzziehungskommission begann am 12. Juli 1921
die Grenzsteine in situ in den → Karawanken/Kara-
vanke (und in den Steiner Alpen/Kamniško-Savinjske
Alpe) zu setzen. Aufgrund des Beharrens der Bewohner
von Libeliče (Leifling) auf eine Eingliederung in den
slowenischen Nationalstaat vollzog die Grenzkommis-
sion im Herbst 1922 einen Territorialtausch und sprach
im Gegenzug das mehrheitlich deutschsprachige und
dünn besiedelte Rabenstein am linken Ufer der Drau/
Drava Österreich zu. Die Grenzziehungskommission
beendete formell ihre Tätigkeit am 31. Oktober 1923. Bis 1923 wurde auch der Großteil der bilateralen,
völkerrechtlichen Verträge über die Umsetzung der
Bestimmungen des Vertrages von Saint-Germain über
die Nachfolge der Habsburgermonarchie beschlossen :
die Teilung der Güter und der Verbindlichkeiten ver-
schiedener Rechtspersönlichkeiten (z. B. der staatlichen
Banken, der Postdienste, der Eisenbahnen), die Teilung
der ehemaligen Staatsschulden und die Regelung der
österreichischen Reparationszahlungen an die Mächte
der Entente und die Teilung der Archive (was in der
Folge jedoch nie endgültig geregelt wurde). Ebenso
wurde die Übertragung der Rechte und Anwartschaften
aus den Pensionskassen, der Sozial- und der Unfallver-
sicherung verschiedener Kategorien von Arbeitern und
Angestellten beschlossen, ebenso die Übertragung der
Firmensitze von Aktiengesellschaften. Zudem wurde
die Zwangsverwaltung des Eigentums der Bürger der
neu entstandenen Staaten wechselseitig abgeschafft.
Für die in Österreich verbleibenden Kärntner (und
steirischen) Slowenen waren jene Bestimmungen des
Vertrags von Saint-Germain von Bedeutung, die den
Schutz der sprachlichen, ethnischen und religiösen
Minderheiten (Art. 62–69) regelten. Den Angehörigen
der Minderheiten garantierte der Vertag die Gleich-
berechtigung bei der Inanspruchnahme der demo-
kratischen Freiheiten sowie einige besondere Rechte
und Erleichterungen, die ihnen den Erhalt ihrer Be-
sonderheiten (vor allem der Sprache) im privaten Be-
reich ebenso wie in der Wirtschaft, im Pressewesen, bei
öffentlichen Versammlungen und Organisationen, vor
Gerichten, in Schulen, beim Zugang zu öffentlichen
Ämtern, im Berufsleben sowie bei der Verwendung
öffentlicher Mittel für das Minderheitenschulwesen,
für religiöse und Wohltätigkeitszwecke gewährleistete.
Den Angehörigen der Minderheiten wurde das Recht
zuerkannt, bei Missachtung ihrer Rechte unmittelbar
beim Völkerbund Beschwerde einzulegen.
Die einschlägigen Minderheitenbestimmungen aus
»Abschnitt V. Schutz der Minderheiten« im Wortlaut :
»Artikel 62.[ :] Österreich verpflichtet sich, daß die
im gegenwärtigem Abschnitt enthaltenen Bestimmun-
gen als Grundgesetze anerkannt werden, daß kein Ge-
setz, keine Verordnung und keine amtliche Handlung
mit diesen Bestimmungen im Widerspruch oder Ge-
gensatz stehe und daß kein Gesetz, keine Verordnung
und keine amtliche Handlung mehr gelte als jene.
Artikel 63.[ :] Österreich verpflichtet sich, allen Ein-
wohnern Österreichs ohne Unterschied der Geburt,
Staatsangehörigkeit, Sprache, Rasse oder Religion
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Von den Anfängen bis 1942, Volume 3 : PO - Ž
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
- Subtitle
- Von den Anfängen bis 1942
- Volume
- 3 : PO - Ž
- Authors
- Katja Sturm-Schnabl
- Bojan-Ilija Schnabl
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79673-2
- Size
- 24.0 x 28.0 cm
- Pages
- 566
- Categories
- Geographie, Land und Leute
- Kunst und Kultur
Table of contents
- Lemmata Band 3 Po–Ž 1049
- Verzeichnis aller AutorInnen/BeiträgerInnen und ihrer jeweiligen Lemmata 1571
- Verzeichnis aller ÜbersetzerInnen und die von ihnen übersetzten Lemmata 1577
- Verzeichnis der BeiträgerInnen von Bildmaterial 1579
- Verzeichnis der Abbildungen 1580
- Synopsis (deutsch/English/slovensko) 1599
- Biographien der Herausgeber 1602