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Vertreibung 1920
sentlich größer war die Zahl jener, die zur Flucht ge-
zwungen waren und nach den Kämpfen um die Grenze
des slowenischen Teiles Kärntens von November 1918
bis Mai 1919 sich über die Grenze zurückziehen muss-
ten (so der Priester Franc Ksaver →
Meško und der
→ Abgeordnete Franc → Grafenauer u. a.). Ein Teil
der slowenischen Bevölkerung musste nach der Be-
setzung durch »fremde« Einheiten einzelne Kärntner
Dörfer auch für längere Zeit oder gar für immer ver-
lassen (Lovro →
Kuhar/Prežihov Voranc, Dr. Franc
→ Kotnik, Dr. Franc → Mišič).
Unter den Flüchtlingen nach der Volksabstimmung
waren auch Arbeitergenossen aus → Ferlach/Borovlje,
Feistritz im Rosental/Bistrica v Rožu, Rechberg/Re-
brca, Arbeiter der Brauerei in Traundorf/Strpna vas bei
→ Bleiburg/Pliberk, Feld- und Waldarbeiter und Päch-
ter der ehemaligen Grafen Helldorf in Griffen/Gre-
binj, Thurn-Valsasina in Bleiburg/Pliberk, Turn in
→ Eisenkappel/Železna Kapla, Windischgrätz in Gra-
fenstein/Grabštajn, der Fürsten Orsini-Rosenberg
in Sonneck/Ženek bei Eberndorf/Dobrla vas und
Liechtenstein in Rosegg/Rožek. Zahlreiche Büch-
senmacher aus Ferlach/Borovlje und Umgebung (min-
desten 34) mussten nach Kranj, → Ljubljana, → Celje,
Zagreb und ins serbische Užice emigrieren. In Kranj
und in Užice gründeten sie sogar zwei Büchsenmacher-
schulen. Kärnten/Koroška musste auch eine beträchtli-
che Zahl weiterer slowenischer Handwerker und Kauf-
leute verlassen. Die Kärntner Landesregierung entließ
nach der Volksabstimmung Arbeiter des Straßendiens-
tes, Postbedienstete und Eisenbahner (insbesondere
jene von der Strecke Rosenbach/Podrožca
–
→ Villach/
Beljak und Rosenbach/Podrožca – Klagenfurt/Celo-
vec), die identitätsbewusste Slowenen waren und die für
Jugoslawien gestimmt hatten. Die Arbeiter gingen vor-
nehmlich nach Jesenice und Umgebung, in die Gegend
von Radovljica, nach Kranj, Škofja Loka, nach Maribor
und in die →
Mežiška dolina (Mießtal), wo sie in den
Bergwerken und in den Fabriken Arbeit fanden, sowie
weiters nach → Celje, Slovenske Konjice, Ljubljana,
Novo Mesto, aber auch nach Zagreb, Beograd, Zren-
janin und Novi Sad. Dazu kommen noch die Juristen
und Anwälte, die weichen mussten, weil alles darauf
deutete, dass sie keine ausreichende Kundschaft mehr
haben würden, sowie viele weiteren Personengruppen.
Leider erstellte damals niemand eine vollständige Sta-
tistik.
Der »Exodus« der slowenischen Priester, Lehrer,
Professoren, Ärzte, Tierärzte, Juristen unterschiedlicher Fachrichtungen und der Beamten – d. h. fast der ge-
samten intellektuellen Elite – wird in der historischen
Literatur als schwerster postplebiszitärer Schlag gegen
die Kärntner Slowenen bezeichnet. Kärnten/Koroška
mussten damals (zumindest) 45 Priester verlassen, ob-
wohl das Verzeichnis nicht vollständig ist. Aus dem
Kärntner Landesdienst wurden (zumindest) 61 Lehrer
entlassen. Von den identitätsbewussten slowenischen
Lehrern blieb unmittelbar nach der Volksabstimmung
lediglich EIN Lehrer im Dienst, ein zweiter fand keine
Anstellung mehr als Lehrer. Zwei weitere wurden nach
der Wiedereingliederung in den Landesdienst als Leh-
rer in den nördlichen, deutschsprachigen Landesteil
versetzt. Das Büchlein des Slovensko zgodovinsko dru-
štvo za Koroško [Slowenischer historischer Verein für
Kärnten] weist 1919, teilweise namentlich, 309 slo-
wenische Flüchtlinge aus Kärnten/Koroška mit quali-
fizierten Berufen aus. Im Kontext des Intellektuellen
Nachwuchses sind noch die Studenten und Schüler
zu erwähnen. Darunter etwa 70 slowenische Kärntner
Schüler und Studenten von Dr. Franc Kotnik, einem
Lehrer am Klagenfurter Gymnasium, der in der Zeit
der jugoslawischen Verwaltung zwischen Juli 1919
bis zur Volksabstimmung 1920 der Leiter des slowe-
nischen Gymnasiums und der Lehrerbildungsanstalt
in →
Völkermarkt/Velikovec war (→ Schulwesen un-
ter jugoslawischer Verwaltung in der Zone A). Diese
Schüler beendeten ihre schulische Ausbildung im da-
maligen jugoslawischen Teil Sloweniens und anderswo
in Jugoslawien. Viele von ihnen kamen auch ins Gym-
nasium und die Lehrerbildungsanstalt in Maribor, wo
sie ihre Ausbildung in slowenischer Sprache weiterfüh-
ren konnten.
Unter den Kärntnern, die zwischen den beiden
Weltkriegen im jugoslawischen Slowenien angesehene
öffentliche Funktionen einnahmen, waren die Mitglie-
der des jugoslawischen Parlamentes in Beograd Franc
Grafenauer, Anton Brandner und Dr. Franc
→
Schaubach (auch Großbürgermeister des Ver-
waltungsgebietes von → Maribor (Mariborska oblast),
der Bischof der Diözese → Ljubljana Dr. Gregorij
→
Rožman, der Propst Gregor → Einspieler, Dr.
Janko (Ivan) → Arnejc und mehrere weitere kirchli-
che Würdenträger, die Professoren der neu gegründe-
ten Universität von Ljubljana Dr. Radoslav → Kušej
(auch Rektor der Universität), Dr. Fran → Eller, Dr.
Albin →
Ogris und Dr. Lambert →
Ehrlich, der
Literarhistoriker Dr. Ivan → Grafenauer, Dr. Franc
→
Mišič (Mischitz) und mehrere weitere Lehrer, die
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Von den Anfängen bis 1942, Volume 3 : PO - Ž
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
- Subtitle
- Von den Anfängen bis 1942
- Volume
- 3 : PO - Ž
- Authors
- Katja Sturm-Schnabl
- Bojan-Ilija Schnabl
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79673-2
- Size
- 24.0 x 28.0 cm
- Pages
- 566
- Categories
- Geographie, Land und Leute
- Kunst und Kultur
Table of contents
- Lemmata Band 3 Po–Ž 1049
- Verzeichnis aller AutorInnen/BeiträgerInnen und ihrer jeweiligen Lemmata 1571
- Verzeichnis aller ÜbersetzerInnen und die von ihnen übersetzten Lemmata 1577
- Verzeichnis der BeiträgerInnen von Bildmaterial 1579
- Verzeichnis der Abbildungen 1580
- Synopsis (deutsch/English/slovensko) 1599
- Biographien der Herausgeber 1602