Page - 108 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Übersichtsband, 1. Abteilung: Naturgeschichtlicher Teil, Volume 2
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In dem südostwärts ziehenden Flügel der Südalpen und den untrennbar mit ihm
verbundenen Gebirgen des Balkansystems finden wir in vielfach sich wiederholenden Zügen,
deren nordwest-südöstliches Streichen allerorts zu erkennen ist, zunächst nur die Fortsetzung
jener Gesteine, die man in den Südalpen antrifft.
Bekannt sind die schmalen, langgestreckten Inseln des Qnarnero und Dalmatiens,
die dnrch mehr weniger enge Kanüle getrennt dem Festlande vorliegen. Sie sind die über
das Meeresniveau emporragenden Kämme des Faltengebirges, dessen Mulden vom Wasser
bedeckt sind. Sie bestehen dnrchwegs aus helleu, oft blendend weißen Kalksteinen, die meist
verschiedenen Stnfen der Kreideformation angehören, aber fast überall durch Reste eiuer
eigenthümlichen, völlig ausgestorbenen Classe von Schalthieren als Rndistenkalke
bezeichnet sind; hin und wieder schließen sich diesen auch eoeene Nummulitenkalke an.
Betreten wir das feste Land, so finden wir zunächst dieselben Kalksteine theils in weit-
gedehnten Plateanx, namentlich im eigentlichen Karst, theils wieder in parallelen Berg-
reihen angeordnet, mit Längsthälern dazwischen, deren vom Meere hier nicht mehr bedeckter
Grund von Sandsteinen und Mergeln der Eocenformation ausgefüllt ist. Diese bilden
fruchtbare, von üppigen Culturen bedeckte Oasen zwischen den trostlosen Steinwüsten der
Karstländer.
Diese Kalkgebirge zeigen aber in typischester Entwicklung jene merkwürdigen
Phänomene, welche mau mit dem Namen Karsterscheiuungen bezeichnet und die durch die
gebrachten Abbildungen (Seite 37, 107 und 109) veranschaulicht sind. Eine überall
zerrissene und zerschrundete Oberfläche, dnrch die zersetzende Wirkung der Atmosphärilien
auf das nackte Gestein ansgefnrcht, zahllose trichterförmige Vertiefungen, die sogenannten
Dolmen, sowie größere eines offenen Abflusses ermangelnde Kessel und blinde Thäler,
hin und wieder eine weitgeöffnete Pforte an einer Felswand oder ein gähnender Schlund,
der zum Besuche der geheimnißvollen Tiefe einladet. In dieser selbst aber ein Labyrinth
von Gängen, Spalten, Grotten und Höhlen mit von der Sonne nie beschienenen rauschenden
Gewässern, tosenden Cascadeu oder ruhigeren Seebecken, mit jenen zauberhaften Tropfstein-
gebilden, welchen die erregte Phantasie des kühnen Forschers mitunter die seltsamsten
Ähnlichkeiten andichtet, mit einer Fauna blinder Land- und Wasserthiere, welche das
Tageslicht scheuen. Endlich finden sich in dem Lehm, der den Boden bedeckt, zahllose
Knochen ausgestorbener Säugethiere, unter welchen der Höhlenbär den ersten Rang
einnimmt, oft aber auch Reste alter Bewohner unseres eigenen Geschlechtes aus
prähistorischer Zeit.
Alles Wasser der sehr reichen atmosphärischen Niederschläge auf den Karstplateanx
verschwindet sofort durch die Klüfte und Spalten von der Oberfläche. Auf seinem unter-
irdischen Wege weitet es durch chemische wie durch mechanische Actionen mehr und mehr
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Übersichtsband, 1. Abteilung: Naturgeschichtlicher Teil, Volume 2
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Übersichtsband, 1. Abteilung: Naturgeschichtlicher Teil
- Volume
- 2
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1886
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.77 x 26.41 cm
- Pages
- 344
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch