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Vorübergehend auf einige Tage, aber zuweilen sogar auf Wochen tritt die merk-
würdige Erscheinung der Wärmezunahme mit der Höhe im Winter (namentlich zu Anfang
des Winters) gelegentlich allgemein in den Berg- und Gebirgsländern Mitteleuropas
auf. Während unten über den schneebedeckten Niederungen scharfer Frost herrscht, hat man
auf den Höhen milde frühlingsartige Luft, die auch bei Nacht lau bleibt. Selbst auf dem
Gipfel des Schafberges z. B. in 1.780 Meter sinkt dann mitten im Winter die Temperatur
einen oder mehrere Tage lang nicht unter den Gefrierpunkt. Der Beobachter auf einer
solchen Höhe sieht dann bei Tage uuter sich ein weißes, wogendes Nebelmeer, aus dem nur
die Berggipfel, verstreuten Inseln gleich, einsam aufragen. Er hat tiefblauen Himmel über
sich und erfreut sich warmen Sonnenscheins, während den Thälern und Niederungen eine
dichte Nebeldecke den Tag verkürzt und die Wälder in weiß schimmernden Rauhfrost kleidet.
Solche Witterungsperioden verleihen dem Winterklima der Höhen einen eigen-
thümlichen Reiz. Sie treten ein, wenn das Centrum eines Gebietes hohen Luftdruckes
über der Gegend sich einstellt mit der dadurch bedingten Windstille und dem heiteren
Himmel. Dann erkaltet die Erde sehr rasch durch Wärme-Ausstrahlung während der langen
Nächte, namentlich wenn sie mit einer Schneelage bedeckt ist. Von den Bergabhängen fließt
die erkaltete Luft überall den Thalsohlen zu, wo sie sich anhäuft, stagnirt und zu Nebel-
bildung Veranlassung gibt aus denselben Gründen, denen auch die Morgenuebel des
Sommerhalbjahres ihre Entstehung verdanken. Die von den Abhängen und Gipfeln nach
den Niederungen abgeflossene Luft wird durch andere ersetzt, die noch nicht abgekühlt, also
viel wärmer ist. Wahrscheinlich wird dann das Herabsinken der Luft aus der Höhe selbst
zu einer Quelle der Wärme, wie beim Föhn, dessen Entstehung wir später besprechen
wollen. Die Abhänge und Gipfel bleiben darum viel wärmer als die Thalsohlen und
Thalbecken. Ein Beweis dafür, daß es die nächtliche Wärme-Ausstrahlung ist, welche die
große Kälte in den Thalgründen hervorbringt, ist die Thatsache, daß gerade vor Sonnen-
aufgang die Wärmezunahme nach oben am bedeutendsten ist.
Wo diese Erscheinung am ungestörtesten und häufigsten eintritt, wird auch die
Wärmezunahme mit der Höhe eine normale Erscheinung (während der Wintermitte), und
dies ist in einem Theile der Ostalpen der Fall, namentlich in Kärnten. Die Alpenketten im
Norden, Westen und Süden, ja zum Theile selbst nach Osten hin stellen sich den Luft-
strömungen hemmend in den Weg und die dadurch begünstigte Windstille gestattet eine
ungestörte Entwicklung des beschriebenen Vorganges.
Die Wärmezunahme mit der Höhe im Winter tritt sicherlich auch in den Karpathen-
ländern häufig auf, wenngleich darüber keine so zahlreichen und detaillirten Beobachtungen
vorliegen wie aus dem Gebiete der Ostalpen. Aus Untersuchungen über die Temperatur-
vertheilung in der hohen Tatra geht hervor, daß auch dort Orte in 500 bis 600 Meter
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Übersichtsband, 1. Abteilung: Naturgeschichtlicher Teil, Volume 2
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Übersichtsband, 1. Abteilung: Naturgeschichtlicher Teil
- Volume
- 2
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1886
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.77 x 26.41 cm
- Pages
- 344
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch