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Temperatursprünge werden fast immer durch rasch einbrechende kalte Winde verursacht,
die über die Ebene widerstandslos hinfegen. Nnn hängt aber bekanntlich unser Wärme-
gefühl in hohem Grade von der Luftbewegung ab; große Kältegrade bei Windstille fühlen
wir wenig, geringe Kälte oder eine Temperaturerniedrigung überhaupt bei starken! Winde
wird uns dagegen sehr empfindlich. Fällt daher das Thermometer um dieselbe Anzahl von
Graden einerseits in einem ziemlich windgeschützten Gebirgsthale, anderseits ans einer
freien Ebene bei starkem Winde, so wird man die Abkühlung auf letzterer viel stärker
empfinden als in ersterem. Über den Ebenen erreichen überhaupt die allgemeinen Luft-
strömungen eine viel größere Heftigkeit als im Hügellaude oder gar im Berglande. In den
ungarischen Niederungen, sowie schon im Becken von Wien kommt noch der Umstand
hinzu, daß nach Westen und Nordwesten hin, der Richtung, aus welcher die vorherrschenden
Winde kommen, kühleres, bewaldetes Hügel- und Gebirgsland den Ebenen vorgelagert
ist. Dieses erwärmt sich langsamer und weniger als die trockeneren baumlosen Ebenen,
wodurch die Winde bedeutend verstärkt werden, namentlich in der wärmeren Jahreszeit.
Was für einen Fluß ein verstärktes Gefälle bedeutet, dasselbe leistet für eiue allgemeine
Luftströmung eine derartige Temperaturstufe- die Geschwindigkeit derselben nimmt loeal
zu. Überdies treten über den ungarischen Niederungen, wohl auch über der Balkan-
halbinsel, nicht selten loeale Lnftdrnckminima ans, welche für das Wiener Becken und die
ungarischen Niederungen heftige Nordwest- und Nordwinde zur Folge haben.
Die heftige» Winde der Ebenen haben den Nachtheil, daß sie im Winter den ebenen
Boden vom Schnee reinfegen nnd denselben in den Vertiefungen anhänfen. Die von der
schützenden Schneedecke entblößten Saaten frieren dann leicht aus und der Bodcu wird
der Winterfeuchtigkeit beraubt, die hier um so nöthiger ist, als der Sommer ohnehin znr
Trockenheit und Dürre hinneigt. Im Sommer hinwieder trocknen die häufigen und starken
Winde den Boden aus, befördern überhaupt die rasche Verdunstung nnd steigern die
Trockenheit und Dürre.
Ein ungarischer Gelehrter sagt: „Die Winde sind im Tieflande häufig und wehe«
oft audauerud und stark. Sie steigern die Dürre, und dies gilt besonders von den nord-
östlichen, östlichen und südöstlichen Winden. Im Frühling pflegen besonders die westlichen
und nordwestlichen Winde stark zu wehen und sie beschädigen hänfig die Saaten und Wein-
gärten. Wenn nämlich der Boden aufthaut, so trockueu die obersten Schichten desselben,
besonders wo er sandig und überhaupt lose ist, schnell ans. Die trockene Erde wird vom
Winde weggefegt und die Saaten werden entblößt. Oft trägt der Wind auch die Saaten
selbst fort. Die Weingärten, die auf Anhöhen liegen, werden oft so entblößt, daß die
Weinstöcke hoch über den Boden emporragen; diejenigen in den Niederungen werden
dagegen zuweilen ganz verschüttet nnd zugedeckt."
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Übersichtsband, 1. Abteilung: Naturgeschichtlicher Teil, Volume 2
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Übersichtsband, 1. Abteilung: Naturgeschichtlicher Teil
- Volume
- 2
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1886
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.77 x 26.41 cm
- Pages
- 344
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch