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zusammen einen Flächenranm von 1650 Quadratkilometer bedecken. Vor Allem sind es die
Tauern und der Ötzthaler Stock, iu welcheu die Gletscherwelt am großartigsten entwickelt
ist, und hier ist es auch, wo sich dem Hochlaude eiu Complex vou Eis- uud Schneefeldern
auflagert, welcher auf eine Strecke von 104, beziehungsweise 74 Kilometer Länge nirgends
unterbrochen ist und stellenweise eine Breite von mehr als 8 Kilometer erreicht. Diesen
Eiswüsten fehlt wie allen anderen Wüsten jedweder zusammenhängende Pflanzenteppich.
Irrig wäre es jedoch, sich dieses Gebiet als absolut pflanzenleer vorzustellen. Sowie in
den heißen regenlosen Wüsten des Südens die Spuren von Feuchtigkeit, welche sich aus
dem durch nächtliche Strahlung erkaltenden Boden erzeugen, vereinzelten Pslanzensormen
genügen, um damit ihr Dasein zu fristen, ebenso genügt jenes Minimum von Wärme,
welches in unserem Gletschergebiet in den Tagen des Hochsommers die Schmelzung der
starren atmosphärischen Niederschläge einleitet, einigen winzigen Gewächsen zum Abschluß
ihrer kurzen Lebensthätigkeit.
Drei Punkte sind es insbesondere, an welchen man in unseren Eiswüsten noch
pflanzliches Leben beobachtet. Zunächst der Firn selbst, dessen Oberfläche bei dem
Schinelznngsprocesse regelmäßig den durch aufsteigende Luftströme uud Stürme herbei-
geführten, auf die Schneefelder verschlagenen und mit dem Schnee innig gemengten Stanb
„ansapert" und sich so mit einer dünnschlammigen Schicht überzieht, welche bei näherer
Untersuchung theils aus unorganischen Theilchen, theils aus Blütenstaub der Nadel-
hölzer, Sporen, abgestorbenen Resten von Pflanzen und Thieren tieferer Regionen
zusammengesetzt erscheint. Diese schlammige Schichte, welche sich an sonnigen Hochsommer-
tagen bis zu einem Grad und darüber erwärmt, ist es ganz vorzüglich, in welcher sich die
nicht unbedeutende Zahl von etwa 40 mikroskopischen Algen ansiedelt. Vorwaltend sind es
Diatomeen und nnter diesen insbesondere zierliche Arten von Lpitliemia. ?inularin und
Slauroneis, welche sich hier ziemlich regelmäßig und oft in erstaunlicher Jndividuenzahl
inmitten der Firnfelder lebend vorfinden. Weite Strecken dieser eisigen Gefilde sind wieder
in manchen Jahren wie von Blutstropfen geröthet und verdanken diese Färbung jener
merkwürdigen mikroskopischen Alge (Lpkaerella nivalis), welche auch die zum Meere
abfallenden Gletscherzungen an der Baffinsbai roth färbt und diesem nordischen Küsten-
geläude den Namen Purpurklippen eingetragen hat. Hier nnd da findet man neben diesem
„rothen Schnee" in dem Firnschlamm auch grüue Zellgruppeu, welche ohne Zweifel
Algen angehören, die aber hier nicht zu ihrer normalen Ausbildung zu gelangen im
Staude waren.
Eine zweite Fundstätte, an welcher man in der Region der Eiswüsten ein eigen-
thümliches pflanzliches Leben beobachtet, bilden die Rinnsale der Schmelzwässer und die
kalten Quellen in der Nähe der Firnfelder. In dem aus den Eisklüften hier hervor-
Übersichtsband.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Übersichtsband, 1. Abteilung: Naturgeschichtlicher Teil, Volume 2
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Übersichtsband, 1. Abteilung: Naturgeschichtlicher Teil
- Volume
- 2
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1886
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.77 x 26.41 cm
- Pages
- 344
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch