Page - 242 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Übersichtsband, 1. Abteilung: Naturgeschichtlicher Teil, Volume 2
Image of the Page - 242 -
Text of the Page - 242 -
242
rieselnden Wasser, dessen Temperatur gewöhnlich nur einige Zehntheile über dem Eis-
punkte zeigt, flottiren, angeheftet an das dunkle Gestein, eine smaragdgrüne l^rasiola und
eine schmutzigbraune Oseillaria, gewöhnlich reichlich besetzt mit mikroskopischen Diatomeen,
unter welchen eine Lpitkema als die häufigste Form auffällt. So ist namentlich das
Rinnsal der höchstgelegenen Quelle unserer Alpen, welche an der Südwestseite desPlerchner-
kammes im Stubaier Gletscherstocke bei nahezu 3.000 Meter Seehöhe aus dem Schiefer-
gestein hervorrieselt, ganz mit diesen Algen erfüllt. — Endlich ist noch der hier und dort
mit steilen Böschungen aus den Firn- und Schneefeldern hervorragenden Felsklippen zu
gedenken, deren Flächen selbst in der Seehöhe von 3.000 bis 3.800 Meter mit Flechten
incrnstirt sind. Neben einer Gyrophora sind es Arten von Liatorina und ^mpkiloma, und
vorzüglich die Landkarteuflechte, welche hier in unscheinbaren Anfängen auf dem Gestein
sich ansiedeln und an ihm als gelbe, braune und schwärzliche Flecken erscheinen.
Wo sich im Bereiche der alpinen Flora ausgedehnte Grasmatten entwickelt haben,
werden dieselben theils als Weiden, theils als Wiesen benützt, und vom landwirtschaft-
lichen Standpunkte kommt diesem Florengebiete ausschließlich die Bedeutung eines Gras-
landes zu. Da der über nahezu drei Viertel des Jahres sich erstreckende Winter eine
dauernde menschliche Absiedlung an Ort und Stelle nicht gut zuläßt, so wird das Grasland
nomadenmäßig ausgebeutet. Es hat sich da seit uralter Zeit ein ganz eigenthümlicher, unter
dem Namen Almwirthschaft bekannter Wirthschaftsbetrieb herausgebildet, dessen Schwer-
punkt eben darin liegt, daß man die Heerden nur für die Dauer des kurzen Sommers auf
die alpinen Grasmatten bringt und sie so auf die bequemste und zweckmäßigste Weise das
Gras ausbeuten läßt. Bei dem Mangel des zum Betriebe der sommerlichen Almwirthschaft
nöthigen Holzes in den oberen Regionen des Hochgebirges finden sich die zur Wirthschaft
nöthigen Baulichkeiten regelmäßig im Bereiche der Legföhrenbestände oder im Schutze
des obersten Saumes der dem baltischen Florengebiete angehörenden Hochwälder, und
man kann annehmen, daß wenigstens zwei Drittel der für die Dauer des Hochsommers
bezogeneu Almhütten unmittelbar an der Grenzlinie liegen, welche die alpine und baltische
Flora scheidet.
Dort, wo die Grasmatten gleichmäßig geneigte Gehänge in ununterbrochener Flucht
überziehen und wo aus irgend einem Grunde die Beweidnng derselben nicht angezeigt
ist, benützt man sie wohl auch als Wiesen (Mähder) und bewahrt das durch die Mahd
gewonnene hochgeschätzte duftende Heu, welches im Sommer nur schwierig in die Thäler
gebracht werden könnte, bis zum Winter in mächtigen Schobern oder auch in Blockhütten
auf. Hat dann der Winter die Herrschaft angetreten, so wird das „Bergheu" aus dem
tiefen Schnee ausgegraben und auf steiler, oft gefahrvoller Bahn mittelst eigener, kunst-
reich zu lenkender Schlitten zu Thal befördert.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Übersichtsband, 1. Abteilung: Naturgeschichtlicher Teil, Volume 2
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Übersichtsband, 1. Abteilung: Naturgeschichtlicher Teil
- Volume
- 2
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1886
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.77 x 26.41 cm
- Pages
- 344
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch