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oft die Mannhaftigkeit der Individuen den Beschauer, sie spottet jeglicher Schätzung.
Wenngleich infolge der Urbarmachung, Entwässerung und Abdämmung mit jedem Jahre
auf ein bescheideneres Maß zurückgedrängt, treffen wir doch namentlich im südlichen
Donaulaufe immer noch einige hervorragende „Brnteolonien", die ungeachtet alljährlicher
Deeimirnngen, nicht immer zu scieutifischeu Zwecken, Tausende von „Jungen aller Art"
in die übrigen Theile unserer Monarchie und in die Nachbarländer entsenden. Betrachten
wir eine solche, zum Glück uoch wenig bekannte, weniger durchforschte Colonie etwas
näher. Eine circa eine halbe Quadratmeile große gelblich grüne Fläche liegt vor uns; im
Hintergrunde erheben sich sanfte wellige Hügelreihen; spärlicher Wald umsäumt zum Theil
das touristisch nicht hervorragende Bild. Am Rande, nahe dem holperigen Landwege, der
uns hinführte, steht eine verfallene türkische Ruine, von einem Walle und Wassergräben
umgeben, eine ehemalige Richtstätte. Einer der wenigen kundigen Führer bringt uns im
seelentränkerartigen Kahne durch ein Labyrinth von „Wassergräben" der zunächst todt
scheinenden Fläche näher. Niedrige Sahlweiden, Riedgras, Binsen, Rohr, gelbe und weiße
Wasserlilien, auch die Wasserschere und ähnliche Sumpfvegetation umgibt uns; Wasser-
frösche verschiedener Färbnng, Tritoneu, einzelne Ringelnattern, diverse Wasserkäfer, eine
Unzahl von Libellen, Mücken u. s. w. macheu sich mehr oder weniger bemerkbar, nicht minder
ein seltsamer Snmpfgernch und ein erhöhtes Wärmegefühl; das Wasser wird spärlicher,
rauschend zertheilt das schmale Csikel den dichter werdenden Rohrwald, der sich über unseren
Köpfen gelegentlich schließt; Plötzlich ein Ruck, wir schnellen vom Sitze empor, ein dürrer
Weidenstamm, den der rudernde Haidnke nicht sehen konnte, stellte sich hindernd in den
Weg; es wird heißer und die Atmosphäre drückender, die Hindernisse mehren sich mit
der Zunahme der Sahlweiden, das Boot steckt fest, mit dem Rudern ist's zu Eude. Nun
kommt die Schiebestange, doch auch mit dieser geht es nur mühselig und langsam ruckweise
vor. Die sperrigen Äste legen sich in das Boot, und biegt man sie auseinander, so zeigen
sich auch neue Verkehrshindernisse von unten her in Form der Riedgrashügel uud Farren-
krautbüsche, die in zahlloser Menge die Dickung vermehren. Nach allen Seiten späht der
Führer nach besserer Durchfahrt, er probirt, fährt vorwärts, wieder rück- und seitwärts,
uud kaum merklich, obwohl wir selbst die Äste verbiegen und brechen und an denselben uns
weiter zu schieben versuchen, dringen wir vor, das Boot hat oft kein Wasser mehr unter
sich und wird nur vou dem krachenden, ächzenden Geäst und Strüppwerk getragen. Immer
versengender legen sich die Sonnenstrahlen in die schmale Lichtung, die wir erzeugt, kein
Luftstrom bringt uns Kühlung und der widerliche Sumpf- und Guanogeruch wird mehr
und mehr vermerklich. Doch sind wir der Brutstätte endlich näher gekommen, die früher
mehr vereinzelt über uns hinwegziehenden und vor uns aufstehenden Silber-, Nacht- und
Mähnenreiher werden zahlreicher, und hoch ober uns ziehen in charakteristischen Linien
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Übersichtsband, 1. Abteilung: Naturgeschichtlicher Teil, Volume 2
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Übersichtsband, 1. Abteilung: Naturgeschichtlicher Teil
- Volume
- 2
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1886
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.77 x 26.41 cm
- Pages
- 344
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch