Page - 77 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Übersichtsband, 1. Abteilung: Geschichtlicher Teil, Volume 3
Image of the Page - 77 -
Text of the Page - 77 -
77
des besonderen Vertrauens des Herrschers gewürdigten Räthen berathen wurden. Der
geheime Rath bestand demnach aus den hervorragendsten Würdenträgern nnd andern
Räthen in nicht fest abgegrenzter Zahl und bildete als oberste Behörde des Landes das
Organ, mit welchem Ferdinand Fragen der auswärtigen Politik wie Verwaltungs-
angelegenheiten berieth. Die Ausfertigung der Beschlüsse war Sache der allgemeinen Hos-
kanzlei, welche ihrerseits in mehrere Abtheilungen zerfiel und deren Vorsteher der oberste
Kanzler war. Die Ferdinandeische Behördenverfassung fand bei den nahen Berührungen
der Fürsten mit dem kaiserlichen Hofe in einem großen Theile deutscher Reichsterritorien
Nachahmung.
Der geheime Rath, der Hofrath, die Hofkammer und die Hoskanzlei bildeten Central-
stellen für die alten österreichischen Erblande. Dagegen besaßen Ungarn und Böhmen ihre
besonderen Verfassungen und waren mit den österreichischen Erblanden nur durch Personal-
union verknüpft. In Ungarn wie in Böhmen bestand die eigene Hofkanzlei und die eigene
Kammer fort, wozu sich seit Ferdinand noch eine besondere Kammer zu Breslau für
Schlesien gesellte, doch so, daß dieselbe in gewissen Dingen der böhmischen Kammer unter-
geordnet sein sollte. Überhaupt begünstigte Ferdinand die Zusammenfassung der Länder
der böhmischen Krone zu einem festgeschlossenen Staatsgebiete. Das Institut der General-
landtage, von denen die ältere böhmische Geschichte nur schwache Anklänge bietet, gelangte
jetzt zu einer größeren Entwicklung. Die obersten böhmischen Ämter und Gerichte, wie
zum Beispiel die böhmische Kanzlei, die Kammer und das 1548 errichtete Appellations-
gericht bekamen eine Wirksamkeit, die sich auf alle Länder der böhmischen Krone erstreckte,
was vordem kaum bezüglich der Kanzlei der Fall war.
Doch beschränkte sich die centralisirende Tendenz der Regierung Ferdinands nicht
etwa blos aus die energischere Zusammenfassung der alten Erblande einerseits und der
böhmischen Lande anderseits gegenüber dem dritten Ländercomplexe, jenem der ungarischen
Krone. Wohl war Ferdinand bezüglich der Regierung Ungarns und Böhmens durch die
Verfassung dieser Reiche beschränkt, aber aus der Vereinigung der drei Ländergrnppen
ergab sich alsbald ein Bereich gemeinsamer Interessen und Aufgaben, für deren
BeHandlungsweise das bisher geltende Recht keine Bestimmungen enthielt. Hier lag ein
Spielraum vor, auf dem sich die ersten Ansätze einer einheitlicheil Staatsform in höherem
Sinne entwickeln konnten; hier war eine Lücke vorhanden, zu deren Ausfüllung sich eben
jene Einrichtungen eigneten, die Ferdinand zunächst für seine österreichischen Erblande
geschaffen hatte. So wurde für alle jene Dinge, welche die Ausarbeitung und Durchführung
allgemein giltiger Regierungsmaximen heischten — für die Fragen auswärtiger Politik
und kirchlicher Natur, vielfach auch für administrative und legislatorische Maßregeln —
der geheime Rath mit der ihm beigegebenen allgemeinen Hofkanzlei zum Regulativ; aus
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Übersichtsband, 1. Abteilung: Geschichtlicher Teil, Volume 3
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Übersichtsband, 1. Abteilung: Geschichtlicher Teil
- Volume
- 3
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1887
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.64 x 22.39 cm
- Pages
- 278
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch