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euu Jahre nach dem westfälischen Friedeil (1K57) schied Ferdinand III.
aus dein Leben. Da sein erstgebvruer Sohn Ferdinand IV., der bereits
von den deutschen Fürsten zum römischen König gewählt worden war,
uoch vor ihm starb, so folgte ihm im Besitze der österreichischen Länder
und später anch als deutscher Kaiser sein zweitgeboruer Sohn Leopold l.
Leopold war anfangs für den geistlichen Stand bestimmt, uud auch später bliebe»
an seinem Charakter die deutlichen Spuren der einstigen Bestimmuug uud der darnach
geleiteten Erziehung haften. Reinheit des Lebenswandels, Gerechtigkeitsliebe, Sanftmuth
nnd Milde, überaus große Religiosität, eiu Interesse für die Wissenschaften, das nicht blos
ans Prunksucht, souderu aus iuuerem Bedürfuifse hervorging, paarte» sich mit einem
Mangel au Energie und Selbständigkeit des Urtheils uud einem blinden Vertraue» in die
desselben oft unwürdigen Personen seiner Umgebung, die ihm ebenso verderblich werden
sollten, als ihm seine Tugenden, namentlich gegenüber seinem Zeitgenossen Ludwig XIV.,
zur Zierde gereichten. Zu diesem bildet Leopold eiueu merkwürdige» Gegensatz. Er hatte
nichts mit dem pruukliebcudeu Wesen, nichts mit der verschwenderischen Genußsucht des
Franzoseuköuigs gemeiu. Wohl machte sich im Hoslebeu unter dem Einslnsse Spaniens bei
öffentlichen Anlässen die peinlichste Etiquette geltend. Sonst aber — an gewöhnlichen Tagen
war die Tracht und die Lebensweise des Kaisers ebenso schmucklos wie die kaiserliche Burg
iu Wien uud das austoßeude „Paradiesgärtcheu", welche freilich mit deu Prachtbauten
Ludwigs XIV. zu Paris, Versailles uud Triauou uud mit deu großartigen Gartenanlagen
der französischen Lustschlösser nicht im entferntesten verglichen werden konnten. Dafür drang
aber anch in die klösterlich-stillen Räume der Hofburg nicht der Nothschrei eines bis aufs
äußerste bedrückte» Volkes. Die Unterthanen des Kaisers trugen, wie der Venetianer
Morosini sagt, die schwere Belastung mit exemplarischer Geduld, iu der Überzeugung, daß
der Krieg uud die Waffen immer nnr das Mittel, das Ende und der Zweck des Kaisers
dagegen immer der Friede sei. „Jedenfalls besaß Leopold den unerschütterlichen Gleichmuth
uud die zähe Beharrlichkeit, welche deu österreichischen Herrscher», bei der besoudereu
Natur ihres Staates, schließlich mehr Erfolge einer lange» Regierung gesichert haben als
eine blitzende uud donnernde Genialität." Gegenüber Lndwig XIV., der durch seine nimmer
rastende Actiouslust dem Zeitalter mit seinem Namen zugleich die bewegenden Impulse
gab, verkörpert sich in Leopolds schwer zu entwaffnendem Gleichmnthe das eonservative
Princip. Freilich fällt dieser Vergleich mit Ludwig XIV. uicht überall zu Guusteu des
Kaisers aus. Während jener durch sei» thätiges Eingreifen in Alles nnd Jedes sich mit
dem Staate wirklich identificire» zu wolle» schien, folgte Leopold meist dem Rathe seiner
Minister, eine Gewohnheit, die mau umso mehr beklagte, als er jene an Einsicht und
Keuutuiß der Dinge nicht selten übertraf.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Übersichtsband, 1. Abteilung: Geschichtlicher Teil, Volume 3
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Übersichtsband, 1. Abteilung: Geschichtlicher Teil
- Volume
- 3
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1887
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.64 x 22.39 cm
- Pages
- 278
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch