Page - 143 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Übersichtsband, 1. Abteilung: Geschichtlicher Teil, Volume 3
Image of the Page - 143 -
Text of the Page - 143 -
143
Eugen selbst, so daß er die oberste Heeresverwaltung und Heeresleitung in seinen Händen
vereinigte. In seiner neuen Stellung entfaltete Eugen eine rastlose Thätigkeit. Vermochte
er auch nicht sofort allen Übelstäuden abzuhelfen, so machte sich doch in der Kriegführung
ein frischerer Geist und ein planmäßigeres Zusammenwirken der Kräfte bemerklich. Während
Eugen Wien gegen einen plötzlichen Überfall von Seite der ungarischen Malcontenten durch
die Errichtung des Linienwalles schützte, war sein Hauptaugenmerk ans die Vernichtung
des Kurfürsten von Baiern gerichtet, da erst, wenn dieser „stets schmerzende und lästige
Dorn" aus der Seite des Kaisers gezogen war, der Krieg gegeu den Hauptseiud Frankreich
mit Nachdruck und Erfolg geführt werden konnte. Engen erreichte dies Ziel im Vereine
mit Marlborough, mit dem er sich in die Lorbeern des Tages von Höchstädt (1704) theilte.
Es war die erste größere Niederlage, welche seit den Anfängen Ludwigs XlV. ein
französisches Heer im Felde erlitt, der erste durchschlagende Erfolg der Eoalition. Während
die Franzosen das rechte Rheinufer räumten, lag Kurbaiern als Siegesbeute den kaiserlichen
Waffen offen. Der Kurfürst war eiu heimatloser Flüchtling, der sein Land erst nach dem
Friedensschlüsse wieder betreten sollte.
Mit diesem Lichtblicke schloß der Lebensabend Kaiser Leopolds l. Er starb am
5. April 1705. Der Thronerbe Josef I. stand in der ersten Blüte männlicher Kraft, noch
hatte er das 27. Lebensjahr nicht vollendet. Die Hoffnungen aller strebsamen Geister in
Österreich ruhten auf ihm, denn schon seit einigen Jahren war die tiefe Kluft bemerkbar
geworden, welche von dem hergebrachten System der väterlichen Regierung die stolzen
Entwürfe uud Bestrebungen des Kronprinzen schied. Dem Einflüsse der Jesniten entrückt
war der Prinz, dessen anmuthige äußere Erscheinung zugleich Geist und Leben verrieth,
von welterfahrenen Männern, wie dem Fürsten Salm und dem Weltpriestcr Rnmmel,
erzogen worden, welche die Lernbegierde des Knaben eher dämpfen als spornen mußten.
Fast ungestüm in allen Bewegungen, ein verwegener Reiter, ein feuriger Jäger, eiu leiden-
schaftlicher Tänzer, stand er in merkwürdigem Contraste zu der feierlich gemessenen Haltung
des Vaters. Früh genug regte sich in ihm das Gefühl seiner Stellung und Zukunft. Ein
entschiedener Gegner der alten Räthe des Vaters, lebte er nur iu Kriegsgedauken; mit
unnachsichtiger Strenge gedachte er dereinst verrostete Mißbräuche abzustellen, namentlich
aber zeigte er sofort die größte Entschiedenheit in der Einforderung kaiserlicher Rechte, die
er in der Folge selbst dem sranzosensrenndlichen Papste gegenüber nachdrücklich geltend
machte. Doch bei aller aufwallenden Leidenschaftlichkeit des Temperamentes hatte sich anch
Josef die angeborene Güte seines Geschlechtes bewahrt, ^more et timore war der Wahl-
spruch dieses Fürsten.
Freilich hat Josef I. während eines leider kurzbemessenen Lebens die Erwartungen
nicht ganz erfüllt, die sich an seine Thronbesteigung knüpften. Sein lebhafter Geist blieb
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Übersichtsband, 1. Abteilung: Geschichtlicher Teil, Volume 3
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Übersichtsband, 1. Abteilung: Geschichtlicher Teil
- Volume
- 3
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1887
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.64 x 22.39 cm
- Pages
- 278
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch