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Süd- und Westdeutschland — iu Ungarn gemeinhin „Schwaben" genannt — in sich auf-
nahm, die das entvölkerte, versumpfte Land allmälig in die Kornkammer Ungarns
verwandelten. Wenn sich die Regierung bei der Berufung dieser Kolonisten nebenbei auch
durch die Absicht, das katholische Element in Ungarn zu stärken, bestimmen ließ, so suchte
sie doch zugleich in anerkennenswerther Weise die konfessionellen Gegensätze, diese Quelle
steter Beunruhigung des Landes, abzuschwächen. Wir werden kaum fehlgehen, wenn wir
hierin den Einfluß Eugens von Savoyen erblicken, der angesichts der religiösen Ver-
hetzungen in die schmerzlichen Worte ausbrach: „Es ist traurig genug, daß man durch die
Unduldsamkeit in Religionssachen ganze Länder zugrunde gerichtet und ihrem natürlichen
Herrn entrissen hat; soll denn Ungarn, das Kleinod der österreichischen Monarchie, etwa
durch die Halsstarrigkeit unberufener Menschen dem Schicksale einer beständigen innerlichen
Zerrüttung unterworfen sein?" Auch die politischen Verhältnisse Ungarns wurden nun
geordnet. Die siebeubürgische Hofkanzlei stammte aus der Zeit Leopolds I. Dagegen wurde
uuu der Wirkungskreis der ungarischen Hofkanzlei normirt, die königlich ungarische Statt-
halterei ein bleibendes Institut und das Gerichtswesen mehrfach umgestaltet.
Zur Leitung der einst spanischen, jetzt dem Kaiser abgetretenen Provinzen wurden
in Wien zwei Regierungsstellen eingesetzt: der spanische Rath für Italien und der Rath
von Flandern. Beide Behörden waren fast nur mit Spaniern besetzt.
Es war dies ein Mißgriff, bei welchem die Dankbarkeit des Kaisers gegen jene
Spanier, die um seinetwillen das Brod der Verbannung aßen, die politische Einsicht
überwog. Denn diese spanische Partei am Hofe Karls VI. war es, die nicht nur darauf
ausging, überall in de» Provinzen, die sie regierte, im Widerspruche mit den Wünschen der
Bevölkerung ihre Creatnren zu versorgen, sondern auch die auswärtige Politik Österreichs
lange Zeit hindurch, und nicht immer im Interesse ihres Adoptivvaterlandes, leitete. Es
war dieselbe Partei, die selbst den so wohlbegründeten Einfluß Eugens von Savoyen
nicht ohne Erfolg zn untergraben suchte, und deren Position nicht so sehr durch die Auf-
deckung ihrer versteckten Minengänge als vielmehr durch den Tod ihres Hauptes, des mit
einer Spanierin vermalten Grafen Althan, erschüttert wurde. Jetzt erst erlangte Eugen
das unbegrenzte Vertrauen Karls VI., der ihm fortan nicht ein Herr, sondern gleich Leopold
und Josef Vater und Bruder war.
Die Jahre 1720 bis 1734 bezeichnen für Österreich eine Epoche äußerer uud
innerer Ruhe, während welcher an die Stelle religiöser und politischer Kriege der fried-
liche Wettstreit um die materiellen Güter des Lebens trat. Unter Karl VI. trat Österreich
zum ersten Male in die Reihe der handeltreibenden Mächte ein; in seine Zeit fallen die
ersten Versuche der Begründung einer von oben herab geförderten heimischen Industrie.
Die Erwerbung der Niederlande und die Handelsvortheile, welche der Friede zu
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Übersichtsband, 1. Abteilung: Geschichtlicher Teil, Volume 3
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Übersichtsband, 1. Abteilung: Geschichtlicher Teil
- Volume
- 3
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1887
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.64 x 22.39 cm
- Pages
- 278
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch